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Mittwoch, 12. August 2015

Rampage - Uwe Boll kann's auch toll

Mittlerweile als Alleinunterhalter in diesem Blog fungierend, erlaube ich mir eine enorme Anmaßung: Ich schreibe über einen UWE BOLL Film! Noch skandalöser als dieser Umstand an sich fällt vermutlich das Fazit aus. Das nur schon mal als Vorwarnung. Evtl. kann ich ja so meine inaktiven Kollegen aus der Reserve locken.
 

Der TV-Sender TELE5 hat sich in meinen Augen in den letzten Monaten in einer sonst tristen Zeit unaussprechlich schmerzhafter, deutscher Fernsehfolter zu einem Leuchtturm zeitweiligen Unterhaltungswerts gemausert. Hauptanteil hat hierbei vor allem die regelmäßig ausgestrahlte Trashfilm-Feier SchleFAZ, aber auch andere Themenabende sorgen immer wieder dafür, dass ich spontan beim Zappen hängen bleibe.
So geschehen neulich, als TELE5 eine ganze Woche dem deutschen Starregisseur Uwe Boll gewidmet hat, der übrigens jeden gezeigten Film in einer Art klassischer Anmoderation persönlich präsentieren durfte - geil!

Gottseidank verpasst habe ich Alone In The Dark, obwohl ich ja zugeben muss, den schon mindestens eineinhalb Mal gesehen zu haben. Im Anschluss sehe ich also, wie Mr. Boll höchst selbst seinen sozialkritischen Actionfetzer Rampage ankündigt.
Rampage? Bei dem Namen klingelte es schal südwestlich meines linken Stirnlappens. War nicht erst vor kurzem ein Video von Uwe Boll durch die sogenannten sozialen Netzwerke gegeistert, in dem er eine Schimpftirade auf etablierte Hollywoodgrößen ablässt und sich darüber echauffiert, dass sein eigenes neustes Projekt, das selbstredend im Gegensatz zum Bonbon-Actionrotz des ganzjährlichen, amerikanischen Actionkinos einen richtig guten Film ergäbe, keine Finanzierung zustande bekäme? Dem Smartphone sei Dank konnte ich parallel zum Filmbeginn Pete’s letzte SMS überprüfen und siehe da: Da war der Link auf eben jenes Wutpamphlet. Und der Name des Films, den Uwe Boll so gerne noch gemacht hätte lautete Rampage 3.

Derart angefixt blieb mir natürlich nicht viel anderes übrig, ich sah mir den Film an. Ganz.

Ein kurzer Umriss zum Inhalt: Der junge Bill Williamson (stark gespielt von Brendan Fletcher) lebt in einer amerikanischen Kleinstadt. Er kommt aus einem eigentlich geregelten Elternhaus, doch selbst mit dieser Ausgangslage schafft es Bill nicht, für sich einen Platz im allgemeinen Alltagsleben zu finden. Der introvertierte junge Mann hat das aber auch gar nicht vor. Statt sich einen guten Job zu suchen, trifft er sich lieber mit seinem einzigen Freund Evan (ebenfalls überzeugend: Shaun Sipos) zum Paintball-Spielen im nahegelegenen Waldstück. Das Duo hat sich offenbar gesucht und gefunden, denn abseits ihres Paintball-Hobbies eint sie ihre Abneigung gegenüber der etablierten Gesellschaft. Stundenlang schimpfen sie über die Regierung und festgeschriebene Werte und Strukturen.
Was die beiden jungen Männer jedoch unterscheidet, ist die Herangehensweise an das Thema. Denn während Evan seine anarchischen Gewaltphantasien großmäulig herumposaunt, tüftelt Bill an einer ganz eigenen Idee. Heimlich, still und leise hat er in seinem Zimmer nämlich eine beeindruckende Waffensammlung angehäuft. Nicht mal Evan weiß, dass er sich außerdem einen kugelsicheren Körperpanzer gebastelt hat. Mit einem exakten Plan im Hinterkopf legt Bill eines Tages seine Panzerung an und startet einen verheerenden Amoklauf.

Bill Williamson hält seine Weltanschauung per Webcam fest
Näheres will ich erstmal nicht verraten, denn ob man's glaubt oder nicht: Was Drehbuchautor und Regisseur Boll hier fabriziert hat ist weit weg davon, als Gülle bezeichnet werden zu müssen. Selbst die eigentlich simple Prämisse des Filminhalts lässt nicht auf die tatsächlich intelligente Geschichte schließen, die hier erzählt wird. Ich kann selbst nicht ganz glauben, dass ich das mal so explizit formuliere, aber mit Rampage ist Uwe Boll ein echt guter Film gelungen.

Inszenierungstechnisch geht Boll zudem kein Risiko ein. Vorbei scheint sie zu sein, die Zeit der CGI-Experimente, kruder Ausleuchtungsmissgeschicke oder Schnittfiaskos. Der einzige filmische Kniff, den er zeigefreudig anwendet, ist die heutzutage fast schon wieder altbackene Shaky-Cam und die passt zur Darstellung des Amokterrors eigentlich sehr gut. Von daher: Alles richtig gemacht!
Die Präsentation des eigentlichen Amoklaufs verkommt dadurch auch nie zum voyeuristischen Actionspektakel, sondern fußt möglichst nah an der Wirklichkeit. Diese realitätsnahe Darstellung sorgt dafür, dass der nicht komplett abgestumpfte Zuschauer sich durchaus unbehaglich fühlen darf.
Aber trotz des hohen Gewaltgrades gelingt Uwe Boll ein echt erstaunlicher Kunstgriff, indem er es schafft, den fast schon soziopathischen Protagonisten sympathisch zu machen! Und das alles, obwohl wir gar nicht viel von ihm erfahren. Warum entschließt er sich zu dieser Bluttat? Typische Klischees lässt Boll zum Glück außen vor. Bill hat keine Heavy Metal Poster in Zimmer, er läuft nicht rum wie ein Grufti und man sieht nicht wie er Killerspiele spielt. Erst zum Ende des Films wird seine Motivation näher beleuchtet, was schlagartig ein ganz neues Licht auf den Massenmörder wirft.

Eine private Waffensammlung und etwas Bastelgeschick - hoffentlich kommt keiner in Echt auf so eine Idee
Dadurch gewinnen auch einige vorherige Filmszenen plötzlich an Bedeutung. Wenn Bill offenbar wahllos Passanten erschießt, einen Kosmetiksalon aufmischt oder im Nebenbei noch eine Bankfiliale überfällt bleibt einem als Zuschauer fast gar keine andere Wahl, als psychologische Mutmaßungen zu stellen, um die eiskalte Bluttat in irgendeiner Form erklärbar zu machen. Dabei kommt Boll natürlich entgegen, dass sein Hauptdarsteller Brendan Fletcher die ganze Situation wirklich authentisch rüberbringt.
Zum Schlagwort Authentizität gibt es zudem eine beispielhafte Szene, die sich in einer Bingo-Halle abspielt und die ich wirklich äußerst gelungen finde. Der schwer bewaffnete Amokschütze betritt das Gebäude in voller Montur, doch die ganzen Senioren ignorieren die seltsame Gestalt entweder komplett oder bedenken ihn abfällig mit hochgezogenen Augenbrauen. Nachdem er von vorne nach hinten und zurück durch die Reihen geschlendert ist, verlässt er fast schon resignierend die Halle mit dem Kommentar: "Ihr braucht meine Hilfe wirklich nicht."
Die gesamte Situation wirkt sehr surreal aber trotzdem auf skurrile Weise realistisch - und zwar deshalb, weil sie genau das ist! Angeblich wurde die ganze Szene wirklich in einer echten Bingo-Halle mit echten Menschen gedreht, die gar nicht wussten, dass sie gerade Teil einer Filmszene sind. Die Art und Weise, wie da auf einen gepanzerten Mann mit Schusswaffen reagiert – oder besser – nicht reagiert wird, ist schon ein bisschen erschreckend.

Auch die Wirkung des Filmendes hat mich echt überrascht und in der Tat noch am nächsten Morgen beschäftigt - und ich will hier zum wiederholten Mal darauf hinweisen, dass wir hier von einem Uwe Boll Film sprechen. Wer hat ihm das zugetraut? Ich auf jeden Fall nicht.

Gerade zum Ende muss ich allerdings noch eine Warnung aussprechen: Versucht, den Film in einer ungeschnittenen Fassung zu sehen, falls euch der Name des Regisseurs nicht schon im Vorfeld abschreckt. Ich plädiere nicht für die ungeschnittene Fassung, weil man in der viel mehr Leichen zu sehen bekommt (was man tut) – der Film funktioniert nämlich auch wunderbar, wenn viele der Killshots entfernt werden, wie es in meiner gesehenen TV-Fassung nun mal der Fall war. Allerdings ist gerade die deutsche Filmversion auch inhaltlich geändert und zwar auf ärgerliche Art und Weise. Laut Boll’s eigener Aussage war er von der FSK gezwungen, das Filmende anzupassen, was nun aber im krassen Gegensatz zur eigentlichen Aussage des Films steht. Boll selbst sagt, dass er in dieser Form gar nicht auf die Idee gekommen wäre, den Film überhaupt zu drehen. Das Ganze grenze schon an Kulturzensur und es sei für ihn der bislang härteste Schlag, den er von der FSK einstecken musste.
Ich kann seinen Ärger verstehen – das Ende machte auf mich so wenig Sinn, dass ich anschließend im Internet Nachforschungen anstellen musste, um den tatsächlich geplanten Schluss zu sehen.

Die Brille beweist - der gute Uwe ist eigentlich ein cleveres Kerlchen
Alles in allem kann ich den Film also tatsächlich empfehlen, auch wenn man nach einem Mal vermutlich alles gesehen und keinen großen Anreiz mehr hat, den Film noch fünf weitere Male anzuschauen. Und wenn‘s nur ist, um mal zu sehen, dass Boll nicht nur dumm und schlecht kann.
Ich werde mir deshalb bei Zeiten mal noch Teil 2 zu Gemüte führen und je nachdem wie der abschneidet, drücke ich dann die Daumen, dass das mit der Finanzierung für Teil 3 noch klappt.

Gut gemeinte 6,5/10 Punkte.