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Montag, 25. November 2013

Southland Tales

Okay, ich mach jetzt mal nen Schnellschuss, damit ich auch mal wieder was raus bringe... das dürfte sich der Donnie Darko Autor Richard Kelly vielleicht auch gedacht haben, als er das Script zu Southland Tales geschrieben hat... vielleicht aber auch nicht ...?

Jedenfalls ist das so ein Film bei dem man sich spätestens am Ende die Frage stellt: Was zum Teufel hab ich da bitte eben gesehen? Kurzum, eine Satire auf so ziemlich alles was nicht nur konservative Amerikaner in Rage versetzen dürfte, in 145 Minuten: Polizeigewalt, Medienberichterstattung, zivile Überwachung, Pornographie, häusliche Gewalt, Mord, Gewalt ganz allgemein, Rassismus, Krieg, Energiepolitik, Demokratie, Marxismus, Politik ganz allgemein, Lobbyismus, Zweiklassengesellschaft, und das alles in einer ziemlich undurchsichtigen biblischen Apokalypse (ja klar darf das Thema Religion nicht fehlen!), angereichert mit Zeitreisen und anderen SciFi-Elementen. Und wer sich jetzt fragt, ob ein komplettes One-Take Musikvideo mit einem blutverschmierten Justin Timberlake auch dabei ist, in dem er dem Alkohol und leichten Mädchen frönt, der sollte noch mal von vorne anfangen zu lesen.


Die ursprüngliche Fassung, die in Cannes gezeigt wurde, war übrigens etwa 3 Stunden lang und wurde regelrecht zerrissen. Man könnte jetzt natürlich sagen, völlig zu recht, der Film ist ein einziges Desaster. Ich meine, der Höhepunkt des Films verbindet nen schwebenden Eiswagen, nen selbstmordgefährdeten Kleinkriminellen, der auf selbigem steht und mit ner Bazooka nen riesigen Zeppelin in die Luft jagt, in dem gerade Dwayne "the Rock" Johnson und Sarah Michelle Gellar ne heiße Sole aufs Parkett legen.



Nun, vielleicht war es aber auch kalkuliert, einen so völlig überdrehten Film zu machen, vollgestopft mit Zitaten aus der Offenbarung gemixt mit unseren aktuellen Problemen aller Art, um sich darüber lustig zu machen, wie sehr Leute versuchen Sinn in das Ganze zu bringen. Wenn es so ist, dann wollen wir Richard Kelly doch auch hier den Gefallen tun und ein wenig diskutieren. Was haltet ihr vom Film? Wie interpretiert ihr die ganzen biblischen Referenzen? Was kann man aus dem Schlusszitat der Erzählers Pilot Abilene mitnehmen: “Revelation 21: And God wiped away the tears from his eyes so the new Messiah could see into the new Jerusalem, his name was Officer Roland Taverner from Hermosa Beach, California. He is a pimp and pimps don’t commit suicide.” Und habt ihr alle den kleinwüchsigen S.W.A.T. Polizisten gesehen?

Epilog: Ich meine, wofür sind Filme da? Um uns zu unterhalten, in erster Linie. Und das hat Southland Tales bei mir alle mal geschafft. Verstehe ich den Film? Sicher nicht so, wie ihr, dazu bietet der Film einfach zu viele Interpretationsspielräume. Macht es für mich Sinn, den Streifen mehrmals zu schauen? Allemal, denn man entdeckt eigentlich immer was neues. Man darf ihn nur nicht zu ernst nehmen :)

Montag, 11. November 2013

Gangster Squad – Krieg um die Stadt der Engel





Jeder Filmfan hat die Situation schon einmal erlebt: Man freut sich nach den ersten Trailern sehr auf einen bestimmten Film und dann werden nach und nach schlechte Kritiken veröffentlicht, die das eigene Interesse dann doch wieder deutlich schmälern. Das kann sogar so weit gehen, dass man sich letztendlich sogar gegen einen Kinobesuch entscheidet. So bei mir geschehen beim Film „Gangster Squad“ von Regisseur Ruben Fleischer (u.a. „Zombieland“). Hin und wieder kann dies sicher einen frustrierenden Filmabend verhindern. Letztendlich sollte aber jeder Filmfan so viel Vertrauen in seinen eigenen Filmgeschmack haben, um sich selbst eine Meinung zu bilden, ungeachtet der Aussagen einzelner Kritiker. Auch dies hat mich der Film „Gangster Squad“ gelehrt, nachdem ich mich schliesslich mit einiger Verspätung  doch noch dazu entschlossen habe, dem Film eine Chance zu geben.

„Gangster Squad“ spielt im L.A. des Jahres 1949. Der skrupellose Mickey Cohen – gespielt von Sean Penn – ist kurz davor Los Angeles und die gesamte Westküste unter seine Gewalt zu bringen. In einem durch Korruption, Gewalt und Angst gestützten System ist ihm durch den normalen Polizeiapparat nicht mehr beizukommen. Deshalb erhält der Kriegsveteran John O’MaraJosh Brolin – den inoffiziellen Auftrag, einen Geheimtrupp ins Leben zu rufen, um der übermächtig erscheinenden Organisation mit Massnahmen jenseits rechtsstaatlicher Mittel das Handwerk zu legen. Diese bunte Gruppe wird verkörpert von durchaus gestandenen Schauspielern wie Ryan Gosling, Robert Patrick, Michael Pena, Giovanni Ribisi und Anthony Mackie. Zwischen dieser Gangster Squad und dem organisierten Verbrechen entspinnt sich so im Verlauf des Films ein brutaler Strassenkrieg um die Seele der zerfallenden, korrumpierten Stadt der Engel, womit der Film ein intensives Setting für eine neue Art des Film Noir bereitstellt.

Ich schreibe hier absichtlich „neue Art des Film Noir“, da man durchaus geteilter Meinung sein kann, ob „Gangster Squad“ tatsächlich ein klassischer Film Noir ist. Allein die Optik des Films, wenngleich unzweifelhaft als Retro zu bezeichnen, spielt vielleicht teilweise mit einer zu intensiven und leuchtenden Farbpalette, um durchgängig als düster bezeichnet werden zu können. Und dann sind da die naiven Charakterzüge des filmischen (Anti-)helden John O’Mara, der tatsächlich glaubt, durch seine zweifelhaften Taten Gutes bewirken zu können. O’Mara und seine Mannen mögen glauben, L.A. sei gerettet, wenn sie Mickey Cohen das Handwerk legen können. John sieht den Gangsterboss als Krankheit, die es auszumerzen gilt, und nicht als Symptom eines korrupten und unheilbar kranken Systems. Ein deutlicher Unterschied zu den kalten, pessimistischen und desillusionierten Antihelden, die die Klassiker des Genres bestimmt haben. Auch die Frauenrolle, gespielt von der hinreissenden Emma Stone, mag nicht so recht in das klassische Konzept einer Femme Fatale passen, sondern kommt während des kompletten Films nicht über den Status einer damsel-in-distress und einer love-interest von Ryan Gosling‘s Charakter hinaus.

Jetzt kann man sich als Verfechter des klassischen Film Noir natürlich echauffieren und den Film und Regisseur für seine Interpretation der Dinge diskreditieren. Oder man freut sich schlicht und ergreifend darüber, 

1.      dass Ruben Fleischer uns Los Angeles in einem äusserst ästhetischen und so noch nie gesehenen Look präsentiert,
2.      dass Sean Penn und Josh Brolin in ihren Rollen förmlich aufgehen und wirklich intensiv und elektrisierend spielen,
3.      und dass Ryan Gosling und Emma Stone nach „Crazy, Stupid, Love“ ein zweites Mal beweisen, dass sie zusammen eine schlicht und ergreifend perfekte Chemie auf der Leinwand besitzen. 

Einige Kritiker bemängelten auch den laxen und unkritischen Umgang mit dem Thema Selbstjustiz und dass die Hauptfiguren ihre Taten zu wenig hinterfragen würden. In der Tat bekommt nur ein Teammitglied der sogenannten Gangster Squad Gewissensbisse und stellt nach einigen moralisch fragwürdigen Missionen die Frage, was genau das Team denn noch von einem Mann wie Mickey Cohen unterscheide. Natürlich kann man sagen, dass es sich der Film mit der Antwort „This is the only way…“ zu einfach macht. Auf der anderen Seite kann man es dem Film zu Gute halten, dass er die Frage überhaupt stellt. Und, um ganz ehrlich zu sein, muss man von einem Film, der einfach nur ein intensiver und unterhaltsamer Crime-Thriller sein möchte, eine glaubwürdige Antwort und eine zweistündige Charakterstudie erwarten?

Auch der explizite Einsatz von Gewalt wurde oftmals als unnötig, voyeuristisch oder auch effekthascherisch beschrieben. So ist der Film keine 5 Minuten alt, wenn der Zuschauer mit ansehen muss, wie ein Gefangener bei lebendigem Leib in der Mitte entzwei gerissen wird. Wer dabei allerdings wirklich nicht erkennt, welche Absicht der Film damit verfolgt, tut aus meiner Sicht dem Drehbuch und auch dem Regisseur Unrecht. Allein durch diese Anfangssequenz, auch oder eben gerade wegen ihrer Explizitheit, wird Mickey Cohen besser beschrieben, als es Sean Penn in hundert Monologen und Grossaufnahmen hätte darstellen können. Wenngleich Penn im Verlauf des Films noch einige denkwürdige Szenen bekommt, in denen er sein komplettes schauspielerisches Talent unter Beweis stellen und den Charakter vertiefen kann. Zweifellos ist es so, dass er von allen Beteiligten am längsten im Gedächtnis bleibt und Mickey Cohen seinen ganz eigenen Stempel aufdrückt. Und wenn sich die beiden Hollywood-Schwergewichte Penn und Brolin dann in Ihren Rollen als Cohen und O’Mara zu ihrem persönlichen und unausweichlichen Showdown treffen, so weht für mich durchaus auch ein kleiner Hauch von „Heat“ durch die Luft. 

So hatte ich als Zuschauer wirklich zu jeder Zeit das Gefühl, bei Ruben Fleischer, seinem Team und seinem Cast in guten Händen zu sein. Sicherlich ist „Gangster Squad“ nicht der neue „L.A. Confidential“ und, trotz meiner Referenz, auch nicht der neue „Heat“, aber das liegt nicht daran, dass die Macher gescheitert wären, sondern daran, dass sie es aus meiner Sicht gar nicht erst versucht haben. „Gangster Squad“ möchte etwas anderes, eigenständiges sein. Vielleicht mit etwas weniger Anspruch. Wenn man das anerkennt, dann kann der Film eine Menge Spass machen.

Mittwoch, 29. Mai 2013

Sherlock – Brainy is the new sexy



Im Jahr 2010 schickte sich die erste Staffel einer kleinen, aber feinen britischen Fernsehserie dazu an, den beiden grossen amerikanischen Kinoadaptionen von Sherlock Holmes mit Robert Downey Jr. zu trotzen. Wohlwissend, dass man es in Sachen Budget, Schauwerten und Action nicht mit dem grossen Bruder aus Amerika würde aufnehmen können, entschieden sich die Verantwortlichen dazu, einen etwas anderen Weg zu gehen. Weniger ist dabei mehr: Angesiedelt im London des 21. Jahrhunderts bietet die Serie kaum Action, dafür umso mehr (geistreiche) Dialoge und eine denkbar einfache, aber ungeheuer wirkungsvolle und kurzweilige Kombination aus Witz und Spannung. Nur jeweils drei Episoden umfassen die ersten beiden Staffeln, jede Episode dafür in klassischer 90-minütiger Spielfilmlänge. Durch die Fokussierung auf nur wenige Fälle und die Tatsache, dass den einzelnen Fällen mehr Zeit als die im Fernsehen üblichen 45 Minuten gewährt wird, erreicht die Serie praktisch durchgehend eine Qualität, die sich vor keinem Kinofilm verstecken muss, was wohl das erste Erfolgsgeheimnis von Sherlock sein dürfte.  

Das zweite Erfolgsgeheimnis, daran besteht wohl kein Zweifel, liegt im Cast der beiden Hauptdarsteller. Benedict Cumberbatch (als Sherlock Holmes) und Martin Freeman (als Dr. John Watson) sind absolute Glücksgriffe und gehen in Ihren Rollen voll und ganz auf. Auch die Chemie und das Timing der beiden erscheinen derart perfekt, dass man Sie sich auch gut und gerne als erfolgreiches Stand-Up Comedy Duo vorstellen könnte. Es kommt sicher nicht von ungefähr, dass die Filmkarrieren der beiden wohl gerade durch Sherlock einen riesigen Schub erhalten haben. Martin Freeman verkörpert aktuell den Hobbit in Peter Jackson’s gleichnamiger Trilogie; Benedict Cumberbatch dagegen gibt in Star Trek into Darkness ebenfalls in einem absoluten Blockbuster einen der besten Leinwand-Bösewichte der letzten Jahre:
 
Links: Benedict Cumberbatch in Star Trek into Darkness, Mitte: Sherlock Holmes und John Watson, Rechts: Martin Freeman in Der Hobbit



In der Serie ist sich Cumberbatch’s Sherlock jederzeit seiner unfassbaren Intelligenz über alle Massen bewusst und stellt sie auch bereitwillig zur Schau. Er wirkt deshalb auch immer ein bisschen arrogant und ist gleichzeitig in zwischenmenschlichen Beziehungen so tölpelhaft und rücksichtslos, dass es fast schon schmerzt. Jedoch verliert er nie wirklich die Sympathie des Zuschauers, denn Cumberbatch verleiht ihm trotz allem einen grossen Schuss Liebenswürdigkeit. So verzeiht man Sherlock nicht nur die Tatsache, dass sich Watson in regelmässigen Abständen Anmerkungen bezüglich der mangelnden Grösse seines Gehirns anhören muss. Man liebt Sherlock dafür. 


Dear God, what is it like in your funny little brains? It must be so boring!

Genauso liebt man ihn für seine maschinengewehrartigen Analysen des Tatorts, die nicht nur seine Mitstreiter immer wieder aufs Neue verblüffen, sondern auch dem Zuschauer alles abverlangen. Denn selbst auf dem Sofa fühlt man sich immer ein bisschen am Limit, wenn Sherlock das aus seiner Sicht Offensichtliche präsentiert. Dies wiederum führt zu einer perfekten Identifikation seitens des Publikums mit Freeman’s Watson, welcher oftmals schlicht und ergreifend wie der erste Zuschauer wirkt und Sherlock genau die „dummen“ Fragen stellt, die wir uns auch sofort stellen, durch die Mattscheibe aber nicht anbringen können. Herrlich sind auch die Szenen, in denen der Polizeichef verzweifelt und ideenlos am Tatort seinen „Consulting Detective“ Sherlock mit den Worten „Any ideas?“ begrüsst und Sherlock beispielsweise lakonisch antwortet: „Seven…“

Aber nicht nur die beiden Hauptdarsteller oder die überragenden Drehbücher sorgen dafür, dass Sherlock zu einem Triumphzug der britischen Fernsehunterhaltung wird. Kleinere Nebenrollen, wie bspw. jene von Sherlock‘s Bruder Mycroft (Mark Gatiss), sind exzellent besetzt und tragen zur genialen Stimmung bei. Unbedingt erwähnt werden muss auch der atemberaubende Auftritt von Irene Adler (exzellent: Lara Pulver), welche den ansonsten weitestgehend frauenresistenten Detektiv nicht nur aufgrund ihrer, nennen wir es unkonventionellen Kleiderwahl bei Ihrem ersten Treffen, aus der Reserve lockt. 

Zu guter Letzt darf natürlich auch der Hauptantagonist nicht fehlen, auch wenn er sich etwas Zeit lässt und erst in der dritten und somit letzten Episode der ersten Staffel in Erscheinung tritt: Jim Moriarty (Andrew Scott). Dass dieser weltbekannte Bösewicht seine „Beliebtheit“ beim Publikum in der Vergangenheit hauptsächlich auch dadurch bezog, dass er als einzige Person annähernd Sherlock‘s Intelligenz besitzt, war selbstredend auch den Machern der neuen Serie bekannt und wurde dementsprechend beibehalten. Trotzdem kommt er hier in einem neuen Gewand daher. Fast schon Schulbubenhaft wirkt sein Äusseres, jedoch nur so lange bis er den Mund aufmacht, denn Andrew Scott spielt Moriarty dermassen überdreht, dass er dem Zuschauer durch seine Stimmungsschwankungen und allein schon durch seine unterschiedlichen Tonlagen einen Heidenschrecken einjagt. Diesem Mann traut man wirklich alles zu. Und vielleicht ist das Erschreckendste das Gefühl, dass er nicht einmal einen Grund für seine Taten zu brauchen scheint. Ebenso wie bei Sherlock scheint seine Intelligenz mehr Bürde als Segen, da sie bei beiden zu zwanghafter Langeweile führt. Der Unterschied: Moriarty bekämpft seine Langeweile mit Verbrechen, während Sherlock nichts lieber tut, als eben jene kniffligen Fälle zu lösen. Nicht auszudenken, wenn Sherlock einmal genau diese Fälle und die daraus resultierenden Herausforderungen und Gefahrensituationen ausgehen würden. Würde er selbst zu einer Art Super-Verbrecher mutieren? Einfach aus Langeweile? Bei diesem Sherlock kann die Antwort nicht mit Sicherheit „Nein“ lauten. In der allerersten Episode wird John Watson sogar genau davor gewarnt:

Donovan: You're not his friend. He doesn't have friends. So who are you?
Watson: I'm... I'm nobody. I've just met him.
Donovan: Okay, bit of advice then. Stay away from that guy.
Watson: Why?
Donovan: You know why he's here? He's not paid or anything. He likes it. He gets off on it. The weirder the crime the more he gets off. And you know what? One day just showing up won't be enough. One day we'll be standing around a body and Sherlock Holmes will be the one who put it there.
Watson: Why would he do that?
Donovan: 'Cause he's a psychopath.
Psychopaths get bored.

Basierend auf diesem Zitat erreicht die Rivalität zwischen Moriarty und Sherlock im glorreichen Abschluss der zweiten Staffel mit der Episode The Reichenbach Fall ihren absoluten Höhepunkt, an deren Ende Sherlock uns alle vor ein Rätsel stellt, welches das Warten auf Staffel 3 fast unerträglich macht.

Dienstag, 5. Februar 2013

Ip Man - Charakterstudie? Kriegsdrama? Komödie? Kung-Fu!



Vorsicht Klischees!

Ich sehe mir gerne asiatische Filme an. Ein typischer Eastern hat vornehmlich (um nicht "ausnahmslos" zu sagen) Charaktere asiatischer Abstammung, welche im treffendsten Falle auch die typische Mimik und Gestik der asiatischen Schauspiel-Schule (stakkatohaftes Kopfnicken beim Ansprechen einer Person, ruckartiges Händeschwingen oder Reagieren auf verschiedene Situationen, etc.) bis ins Detail ausreizen. Dies trifft auf den Film Ip Man zu (an alle Informatiker: Es heißt nicht "IP-Man"!).
Ein Eastern bietet meiner Meinung nach außerdem eine gehörige Portion Action, sei es Kung-Fu Gekloppe oder bleihaltiges Pistolengewitter. Auch das trifft auf Ip Man zu, jedenfalls ersteres. Ein typischer Eastern beinhaltet jede Menge Humor, selbst wenn die Lacher oft nur einer eigentlich höchst fragwürdigen Synchronisationsleistung zuzuschreiben sind. Beim Ansehen von Ip Man kann man auch mal lachen, mit der Synchro hat das meistens allerdings nicht viel zu tun.
Die Hauptmerkmale eines asiatischen Films - jedenfalls nach meiner Definition - hat Ip Man also. Wieso ist er dennoch in vielen Punkten ein wenig anders im Vergleich zu seinen üblichen Genre-Kollegen? Die Antwort ist recht einfach - er nimmt sich zuerst selbst nicht ernst und dann aber plötzlich doch.


Es folgt ein recht detaillierter Überblick über die Filmhandlung - leider Spoiler behaftet, aber hoffentlich wenigstens unterhaltsam zu lesen.

Worum geht es also und was ist ein Ip Man?
Ip Man ist - wenn überhaupt - in der westlichen Welt eher bekannt unter dem Namen Yip Man, seines Zeichens Lehrmeister eines gewissen Kung-Fu Genies namens Bruce Lee.

Inwieweit der Filminhalt sich mit der Lebensgeschichte des echten Yip Man deckt, vermag ich als ungelernter China-Historiker nicht zu beurteilen, aber man darf guten Gewissens davon ausgehen, dass an der ein oder anderen Stelle leicht übertrieben oder etwas hinzugedichtet wurde. Wenn nicht, dann Hut ab, Yip Man.
Der echte Yip Man - irgendwie knuffig

Im Film ist Ip Man, gespielt von Donnie Yen, ein wohlhabender Kung-Fu Meister und lebt in den 30er Jahren in der chinesischen Stadt Foshan, durchweg als Zentrum der Kampfkunst bekannt. Diese Beschreibung kommt nicht von ungefähr. So wird vom Treiben in der Stadt in der ersten Hälfte des Films kaum mehr dargestellt, als die Hauptstraße, in der sich Kung-Fu Schule an Kung-Fu Schule reiht. Es versteht sich von selbst, dass jede Schule ihren eigenen Obermacker als Lehrer hat, dessen Kampfkunst in der Theorie nicht zu schlagen ist. Diese Figuren sind dabei leicht skurril dargestellt, es sind durch die Bank ziemlich schrullige, alte Männer; Stereotypen, die dem geneigten Zuschauer sofort aus zig anderen Kung-Fu Streifen bekannt sein dürften.

Ip Man selbst aber gibt keinen Unterricht. Er wohnt mit seiner Frau und seinem Kind in einer schicken Villa leicht außerhalb der Stadt. Kung-Fu ist quasi sein Hobby und zwar sein einziges wie es scheint, denn er ist ein wahrer Meister des Wing Chun, einer alten chinesischen Kung-Fu Variante. Ip Man ist auch nicht schrullig. Er ist ein gebildeter Neureicher, der in der Stadt hohes Ansehen genießt. Woher der Reichtum der Familie kommt erfährt der Zuschauer nicht. Es ist allerdings klar, dass Ip Man in seinem Leben noch keiner Arbeit nachkommen musste. Woher hätte er sonst auch die Freizeit gehabt, um seine Kampftechnik dermaßen zu perfektionieren? Ip Man macht keinen Hehl aus seinem Status. Er lässt zwar nicht offenherzig den Dicken raushängen, aber angesprochen auf sein Kung-Fu Talent ist er immer nur allzu gern bereit, den Wissensdurstigen eine kleine Lektion mit kostenloser Kung-Fu Moral im One-Liner Format zu erteilen, verpackt in purster Höflichkeit. Dieser Ip Man stößt überall nur auf Gegenliebe für sein Können und seine aristokratische Art. Nur in der eigenen Familie nicht. Der Frau geht das ewige Gekloppe sichtlich auf den Keks, den Sohn schiebt der Papa für eine ordentliche Keilerei nur zu gern aus dem Weg.

BÄM! - Die etwas andere Art der Nackenmassage

Klingt komisch und ist auch so. Ip Man ist nicht der typische Dummbatz, der vom unscheinbaren Kung-Fu-Opa aus Langeweile innerhalb von 2 Wochen zur Kampfmaschine getrimmt wird. Ip Man kann auch so schon lange Kung-Fu. Und zwar sehr gut und das weiß er auch.

Zugegeben, das klingt zuerst mal nicht nach einem typischen Sympathieträger, aber Donnie Yen bringt die Einführungsszenen mit einer solchen erfrischenden Souveränität auf die Mattscheibe, dass man trotzdem in jedem Moment auf der Seite von Ip Man steht. Es verströmt schon eine großartige Coolness, wenn ein Kung-Fu Lehrer der Stadt in der Einleitungsszene des Films bei Ip Man um eine Audienz bittet. In Wahrheit will dieser nämlich einen Trainingskampf ausfechten, um herauszufinden, wie sich seine Technik gegen Ip Man's Wing Chun so schlägt. Leider sitzt die Familie allerdings gerade beim Abendessen, weshalb es leider nicht zu einem Kampf kommen kann. Das stört allerdings keinen von beiden, weswegen Ip Man den Kampfgefährten ruckzuck einlädt, sich seiner Familie beim Essen anzuschließen. Sie schlagen sich also auf Kosten der Nerven von Ip Man's Frau die Bäuche voll, danach lassen sie sich noch mit Tee und Zigaretten bedienen, bis sie beiderseits beschließen: Okay! Ein Trainingskampf soll es sein. Störende Zeugen wie Frau und Kind werden schnurstracks herausbefördert und der Kampf beginnt. Während all dieser Szenen agiert Donnie Yen's Ip Man so höflich und zuvorkommend seinem Gast gegenüber, dass man sich wünschte, selbst mal für ein paar Kung-Fu-mäßige Demütigungen eingeladen zu werden. Denn selbstredend macht der Kung-Fu Meister aus der Stadt keinen Stich gegen Meister Ip. Ohne seinen Gast ernsthaft zu gefährden, zeigt er diesem mit wenig Aufwand ruckzuck die Grenzen auf.

Derartige Handkanten-Tänze gibt’s in jedem Kung-Fu Film? Schon richtig, aber nur selten so klasse choreographiert wie hier. Martial Arts Choreographie von Sammo Hung, sag ich da nur. Der kleine Dicke weiß immer noch, wie’s gemacht wird.

Staubwedel gegen Schwert - für Ip Man eine der leichtesten Übungen

Noch könnte man sagen, die Unterschiede zu den klassischen Eastern seien eher marginaler Natur. Niemand würde etwas anderes behaupten. Konkrete Diskrepanzen schlagen hauptsächlich in der zweiten Filmhälfte auf. Oder besser gesagt: Durch den Kontrast der zweiten Filmhälfte zur ersten. Ist die erste Hälfte noch ein unterhaltsam-lockerer Hongkong-Streifen, erlebt der Film danach einen herben Schnitt. In einem kurzen Texteinspieler wird nämlich darauf hingewiesen, dass China von den Japanern besetzt wurde. Foshan bildet da natürlich keine Ausnahme. Die Stadt wird von den Japanern eingenommen und Ip Man’s bisherige Residenz dient fortan dem örtlichen Japaner-Trupp als Einsatzbasis. An dieser Stelle hätten dem Zuschauer ein, zwei Erklärungen zum historischen Hintergrund dieser tatsächlichen Ereignisse sicherlich nicht geschadet, denn der Schnitt vom bunt-witzigen Kung-Fu zum nun folgenden, trist-grauen Kriegs-Szenario passiert etwas zu plötzlich. Dem chinesischen Publikum wird die eigene nationale Geschichte aber vermutlich geläufiger sein, so dass man darüber auch hinwegsehen kann.

Auf jeden Fall befindet sich das Land, oder besser die Region, mittlerweile unter japanischer Schirmherrschaft und die Bevölkerung – darunter auch Ip Man und seine Familie – werden von den Invasoren in Schach gehalten. Der Kung-Fu Meister lebt nun mit Frau und Sohn in einer notdürftigen Baracke und hat dort wie so viele mit Hunger und Krankheiten zu kämpfen. Sein Image als Saubermann haben die restlichen Bewohner allerdings nicht vergessen, weswegen Ip Man bei der Essensausgabe schon mal bevorzugt behandelt wird. Schlussendlich kommt aber auch er zur Erkenntnis: Ohne Arbeit geht es nicht, weswegen er sein Bewerbungsschreiben notgedrungen beim Kohlewerk abgibt, was mittlerweile von den Japanern geführt wird. Das Vorstellungsgespräch verläuft simpel: ein Mob halb verhungerter Chinesen winkt auf der Straße dem japanischen Laster zu, der als Zubringerdienst zum Kohlewerk fungiert, und die Soldaten auf der Ladefläche hieven dann die Unverschämtesten und Auffälligsten an Bord. Schon hat man den Job.

Die Arbeit selbst stellt sich dann aber nicht wirklich als Vergnügen heraus. Von morgens bis abends müssen die Chinesen echte Knochenarbeit verrichten. Allerdings bekommen sie dafür Reis als Bezahlung und ich denke mir ganz ehrlich: Besser als gar nichts. Reis ist nämlich an allen Ecken und Enden knapp, seit die Japaner die Kontrolle im Bezirk übernommen haben, da wird jede Möglichkeit gern genutzt, um an ein Säckchen Reis zu gelangen. Wie passend, dass der Befehlshaber der in Foshan stationierten Japaner ein großer Kampfkunst-Fan ist. Aus diesem Grund wird im Kohlewerk auch täglich rumgefragt, wer Lust hätte, sich mit den japanischen Karate-Kämpfern zu messen. Den Gewinnern winkt zur Belohnung nämlich ein extra Sack Reis. Klar, dass bei so einem Angebot der Nachschub an Prügelknaben nicht fehlt. Erstaunlich ist nur, dass die Chinesen wirklich die Möglichkeit haben, gegen die Japaner zu gewinnen! Und nicht nur das – wer ehrlich gewinnt bekommt tatsächlich den versprochenen Preis! Es kann aber auch natürlich nach hinten losgehen, wenn man sich als chinesischer Normalbürger dem japanischen General stellt, der – wie soll’s auch anders sein – zufällig ein ganz fantastischer Karate Tiger ist. Ein Schicksal, das zufällig dem einzigen Kumpel Ip Mans zuteil wird, den er im Kohlewerk hat. Etwas im Busch vermutend, meldet sich Ip Man also am nächsten Tag selbst für die Arena-Kämpfe, denn er will ja gern herausfinden, wo sein Freund abgeblieben ist, der am Vortag nicht wieder vom Prügelausflug zurückgekehrt war. Und wenn Ip Man mal Pech hat, dann aber richtig! Kaum erreicht er die Kampfarena, erlebt er auch schon mit, wie ein weiter ehemaliger Freund über den Jordan wandert.

Das hätten die Japaner besser mal bleiben lassen, denn selbstredend fordert Ip Man anschließend persönlich eine halbe Brigade von schwarz begurteten Karatekämpfern auf, sich ihm im Kampf zu stellen. Gleichzeitig, natürlich.

Vorher ...
 
Was dann folgt steht in meiner Liste von Lieblings-Filmprügeleien an erster Stelle, zusammen mit Geniestreichen wie dem Kampf von Jackie Chan gegen Benny "The Jet" Urquidez aus Powerman, der von Tony Jaa zelebrierten Knochenbrech-Orgie im Tom-Yum-Goong Finale und dem Kampf Kung-Fu-Kämpfer gegen Karate-Schule aus Bruce Lee's Fist Of Fury bzw. Jet Li's Remake Fist Of Legend. Donnie Yen zeigt, dass Kung-Fu auch anders geht, als der klassische spaßige Kampfkunst-Tanz, den man aus der ersten Hälfte des Films oder anderen typischen Genre-Kollegen gewohnt ist. In lupenreiner FSK-18 Manier zerlegt er im Handumdrehen die halbe Karate-Staffel - nicht nach dem Motto "Guck mal, ich bin besser als du", sondern eher á la "Guck mal, in welchem Winkel dein Arm absteht".

... nachher

Es versteht sich von selbst, dass der japanische General es nicht auf sich sitzen lassen kann, wenn seine Untergebenen so vorgeführt werden. Erstaunlicherweise tut er aber genau das doch! Ihn fasziniert vielmehr die überragende Technik von Ip Man's Kung-Fu. Neugierig, endlich einen gleichwertigen Gegner gefunden zu haben, organisiert er einen öffentlichen Zweikampf zwischen sich und Ip Man, durch den der Wille der chinesischen Bevölkerung endgültig gebrochen werden soll ...


Da der Film inhaltlich zum Teil als hanebüchener Propaganda-Film mit geschichtlichem und autobiographischem aber schlussendlich substanzlosem Hintergrund daherkommt, dürfte keinen überraschen, wie der Film endet. Außerdem ist der Film rein technisch gesehen Standardkost und schauspielerisch reißt sich keiner ein Bein aus - obwohl man Donnie Yens Coolness deutlich hervorheben muss. Allgemein gilt: Auch wenn Yen selbst kein Unbekannter in der asiatischen Actionfilm-Landschaft ist - der Cast des Films ist unverbraucht und hat offensichtlich Spaß bei der Sache. Das genügt für einen Film dieser Sparte auf ganzer Linie.
Womit Ip Man hingegen ganz eindeutig punktet sind die fantastischen Kampfeinlagen, bei denen alle Beteiligten eine klasse Arbeit geleistet haben. Es passiert nicht oft, dass man einen klassischen Kung-Fu Film zu Gesicht bekommt, der eine ganz eigene Darstellung und Choreographie von Kung-Fu zeigt. Man hat mehr als nur einmal das Gefühl, solche Bewegungsabläufe und Techniken noch nie gesehen zu haben. Auch die Struktur der Geschichte mit den beiden gegensätzlichen Filmhälften macht den Film zu einem bemerkenswerten Vertreter seines Genres und hält das Interesse beim Zuschauer hoch genug, damit er nicht nur die Minuten zur nächsten Prügelorgie zählt. Dabei kann sich der Film nur nicht entscheiden, was er schlussendlich sein möchte, denn für einen Spaß-Film ist er nicht lustig und für ein Kriegsdrama nicht dramatisch genug. Einen interessanten Aufhänger für die großartige Action bildet der inhaltliche Rahmen aber allemal.

Allen Freunden von Handkanten-Action kann ich den Film also nur wärmstens empfehlen. Wer mal wieder einen echt guten Kung-Fu Film alter Schule sehen will, sollte sich diesen Streifen nicht entgehen lassen!
Alle anderen, die eine differenzierte Auseinandersetzung mit der chinesischen Besatzungsgeschichte oder sogar ein charakterbasiertes Biopic über Bruce Lees Lehrmeister suchen, sind hier dann doch an der falschen Adresse.

Persönliche Bewertung: 7 von 10 Backpfeifen

Donnerstag, 24. Januar 2013

Warrior – Family is worth fighting for



Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, weshalb es dieses Schmuckstück nicht schaffte, sein überschaubares Budget von 25 Millionen USD im Kino wieder einzuspielen. Genauso wenig kann ich nachvollziehen, dass der deutsche Kinogänger nicht einmal die Möglichkeit bekam, diesen Streifen im Kino zu bewundern. Stattdessen wurde Warrior als Direct-to-DVD Veröffentlichung auf den deutschen Markt geschleudert, als ob es sich hier um den vierten Ableger einer ausgelutschten Horror-B-Movie Reihe handeln würde. Nicht die allerbeste Werbung… und dementsprechend beschränkt ist auch der Bekanntheitsgrad des Filmes in Europa. Meine Bitte an den Leser lautet, sich von diesen Tatsachen zu lösen und dem Film eine Chance geben. Genau das habe ich getan und einen Blindkauf der BluRay gewagt. Mittlerweile habe ich den Film in einem Jahr dreimal gesehen und zähle ihn ohne Wenn und Aber zu meinen Lieblingsfilmen. Warum, will ich in den folgenden Zeilen erklären.


Warrior ist vordergründig ein (Kampf)sportfilm mit dem Thema Mixed Martial Arts (MMA). In dem Film von Regisseur Gavin O’Connor ruft ein reicher Promoter, dargestellt durch den Regisseur höchstpersönlich, zum Kampfsportevent SPARTA auf, bei dem die 16 besten MMA-Kämpfer der Welt im KO-Modus um ein Preisgeld von 5 Millionen USD („Winner takes it all“) kämpfen sollen. Bis hierhin könnte es sich auch um ein Remake von Jean-Claude Van Damme‘s Bloodsport handeln. Jedoch: Genauso wie der Mixed Martial Arts Trainer Frank Campana – gespielt von Frank Grillo – seine Kämpfer im Film auf unkonventionelle Weise trainiert, indem er Ihnen mit Beethoven-Musik Ruhe, Gelassenheit und Geduld zu vermitteln versucht, so ist auch die Umsetzung von Gavin O’Connor nicht das, was man vordergründig von einem Film dieser Art erwarten würde. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Der Film kommt um die handelsüblichen Standardmotive eines (Kampf)sportfilmes nicht herum. Ja, es gibt die Story vom völligen Aussenseiter, der (vielleicht?) das schier Unmögliche vollbringt. Ja, es gibt die handelsübliche Trainingsmontage à la Rocky I bis VI. Ja, es gipfelt alles in einem dramatischen Endkampf während der letzten Minuten des Films. Und auch die Frage, welche beiden Kämpfer sich in diesem Endkampf gegenüber stehen, ist spätestens nach wenigen Filmminuten bereits geklärt. Selbst der Klappentext der BluRay gibt diese Information bereits Preis.
  
Aber da gibt es eben auch mehr. Ein kleines Beispiel: Die Trainingsmontage ist mit einer rockigen Version von Beethoven’s „Ode to Joy“ unterlegt und allein deshalb schon irgendwie einzigartig. Es gibt auch nicht den einen klassischen Helden, mit dem das Publikum mitfiebert und der am Ende den brutalen und eindimensionalen Gegner – wie beispielsweise in jeglichen frühen Van Damme Filmen - besiegt. Auf der einen Seite gibt es Brendan Conlon (Joel Edgerton). Ein früherer durchschnittlicher MMA-Kämpfer, mittlerweile Physiklehrer, liebevoller Vater und Ehemann. Einzig die Angst vor der Pfändung des Hauses treibt ihn zurück in den Sport und nur ein glücklicher Umstand ermöglicht ihm die Teilnahme an SPARTA. Buchstäblich auf der anderen Seite steht dessen jüngerer Bruder Tommy Conlon (grandios: Tom Hardy), auf der Highschool ein begnadeter und ungeschlagener Ringer, mittlerweile ein desillusionierter Ex-Marine. Irgendwo dazwischen steht deren Vater Paddy Conlon (Nick Nolte), ein ehemaliger Säufer, der durch seine Alkoholsucht wohl hauptverantwortlich für die Zerrissenheit der Familie sein dürfte. Beide Söhne lassen ihn zu Beginn des Filmes spüren, dass das Band wohl unwiederbringlich zerrissen ist. Auch untereinander sind die Brüder tief zerstritten und speziell Tommy, der jüngere der beiden, kann seinem älteren Bruder, genauso wie seinem Vater, nicht verzeihen. Die Art und Weise wie Tom Hardy es fertig bringt, Tommy durch Gesten, Tonfall und Körperhaltung von seinem Bruder und seinem Vater zu isolieren, ist für mich eines der grossen Glanzlichter dieses Films. Zusammen mit seiner physischen Konstitution (Tom Hardy war sicherlich immer schon recht muskulös, aber seine Nacken-, Bauch und Rückenmuskeln in diesem Film sind schon sehr bemerkenswert und seine Statur erinnert bereits sehr stark an Bane in The Dark Knight Rises) ist dies im wahrsten Sinne des Wortes eine wuchtige Performance, die man so schnell nicht vergisst. Auch Nick Nolte muss man herausstreichen, der für seine Leistung sogar mit einer wohlverdienten Oscarnominierung als bester Nebendarsteller belohnt wurde.

Links: Tom Hardy zeigt, was er hat; Rechts: Nick Nolte als Paddy Conlon
All die Konflikte, die Vorwürfe und der Hass, welche sich in all den Jahren zwischen den beiden Brüdern (und auch ihrem Vater) aufgestaut haben und sich am Vorabend des Finales, bei ihrem ersten Treffen seit Jahren, in einem verbalen Streitgespräch manifestieren, entladen sich schliesslich in einem brutalen Kampf, bei dem der Zuschauer eigentlich keinen wirklichen Favoriten hat, sondern einfach hofft, dass die Protagonisten auf irgendeine Art und Weise wieder zusammenfinden. Und genau das ist letztlich die Stärke dieses Films und der Grund dafür, dass man ihn eben nicht nur als reinen Sportfilm bezeichnen darf. Denn dafür sorgt er sich viel zu sehr um seine Protagonisten und deren Beziehungen zueinander. SPARTA und der grosse Endkampf, all das ist letzten Endes nur das Ventil, mit dem Gavin O’Connor seinen Charakteren hilft, ihre Emotionen auszudrücken und zu entladen. So ist auch der Song „About Today“ von The National, welcher die letzten Szenen des Kampfes begleitet, sicher keine allzu intuitive Wahl um einen MMA-Kampf musikalisch zu untermalen, passt aber perfekt zur Beziehung der beiden Brüder und der emotionalen Entwicklung, die die beiden während des Filmes durchlaufen haben.
  
Wenn überhaupt, dann ist Warrior also mit Sportfilmen wie Rocky I, Million Dollar Baby oder The Fighter zu vergleichen, deren Drehbücher es den Charakteren ebenfalls erlaubten, Tiefe zu entwickeln. Rocky I erhielt 1977 übrigens drei Oscars, inklusive Bester Film und Beste Regie. Million Dollar Baby wurde mit vier Oscars ausgezeichnet, allesamt in den Hauptkategorien (Film, Regie, Hauptdarstellerin, Nebendarsteller). The Fighter erhielt immerhin zwei Oscars für die Nebendarsteller Christian Bale und Melissa Leo. Warrior dagegen scheiterte bereits an einem Kinorelease in Deutschland. Für mich völlig unverständlich, weshalb ich jedem nur wärmstens empfehlen kann, für einmal einen Blindkauf zu wagen.