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Dienstag, 21. September 2010

Butch Cassidy and the Sundance Kid – Abseits aller Konventionen


Es hätte ein traditioneller Western werden können. Alles, was es dazu gebraucht hätte, wäre ein Regisseur wie Sergio Leone und ein grimmiger Clint Eastwood in der Rolle des Butch gewesen. Stattdessen durfte der Western-unerfahrene George Roy Hill, der später für Der Clou den Regie-Oscar erhalten sollte, auf dem Regiestuhl Platz nehmen. Eben diese Unbefangenheit ließ Hill etwas erreichen, wozu ein Sergio Leone, trotz oder gerade wegen seiner Liebe zu diesem Genre, niemals im Stande gewesen wäre.

Hill drehte einen Western, der kein Western ist. Denn Hill drehte einen Western, der kein Western sein will. Wenige Filme brechen mit gängigen Konventionen eines bereits etablierten Genres um etwas Eigenständiges und Unverbrauchtes zu schaffen. Die allerwenigsten bewerkstelligen dies mit einer spielerischen Leichtigkeit, die dem Zuschauer beim ersten Sehen, trotz aller Verwunderung, ein Lächeln aufs Gesicht zaubert. Butch Cassidy und Sundance Kid ist eine der seltenen Perlen, die genau diesen Effekt beabsichtigen und auch erreichen. Ein Hauptgrund hierfür ist unbestritten das sensationelle Hauptdarstellerduo, bei dessen Auswahl Hill ein erstes großes Risiko einging. In einem Film mit zwei gleichberechtigten Protagonisten stellte er dem damaligen Weltstar Paul Newman – alias Butch Cassidy – den reichlich unbekannten Robert Redford – alias Sundance Kid – zur Seite. Nicht wenige Leute zweifelten daran, ob Redford dieser Rolle gewachsen war und ob die Chemie zwischen den beiden stimmte. Heute wissen wir: George Roy Hill traf die richtige Entscheidung. Newman und Redford verkörpern diese beiden grundverschiedenen, sich gegenseitig ergänzenden Haudegen derart beindruckend, dass es nicht schwer fällt, an eine Freundschaft abseits der Kamera zu glauben.

Um zu verdeutlichen, dass der Film lose auf dem Leben zweier Banditen basiert, die tatsächlich existierten, bekommen wir zu Beginn Originalbilder ihrer Hole in the Wall Gang zu sehen. Danach führt die eigentliche Eröffnungssequenz Sundance als pokerspielenden, konfliktsuchenden Revolverhelden ein. Ein wilder Outlaw, bekannt für seine schnellen Hände, unbesiegbar im Duell. Ein Westernheld, klassisch und klischeebehaftet. Allerdings ist Butch derjenige Charakter, der zwar nicht den Film an sich, jedoch seine Wirkung auf das Publikum zu großen Teilen bestimmt. Zweifelsohne ist er ein Großmaul, jedoch verspielt er dank seines Charmes nie die Sympathien des Betrachters. Ebenso ist er ein Gangster, jedoch kein besonders guter. Er schießt schlecht, scheut den Konflikt und ist im Grunde seines Herzens ein anständiger Kerl. Jemand, den das Publikum trotz seines zweifelhaften Berufes liebt. Mit seiner Art bricht er die Rolle des klassischen Westernhelden immer weiter auf. Spätestens bei der legendären Szene, in der Butch zu „Raindrops keep fallin´on my head“ Kunststücke auf dem Fahrrad vollführt, dürften einige eingefleischte Westernfans das Kino verlassen haben.

Wer sitzen bleibt und sich darauf einlässt, wird mit einem innovativen und einzigartigen Film belohnt, der die Grenzen des Genres sprengt und echten Filmfans ins Gedächtnis ruft, welche Magie das Kino zu versprühen vermag. In einer Odyssee zweier freiheitsliebender Freunde wird Unerwartetes und Unkonventionelles auf eine Art und Weise präsentiert, die dem Publikum trotz ihres melancholischen Untertons immer wieder ein herzhaftes Lachen entlockt.

Dienstag, 14. September 2010

Heat – Die andere Seite von Los Angeles

Ich kann mich noch exakt daran erinnern. Auf dem allwöchentlichen Streifzug durch die Regale einer großen Elektronik-Kette, um nach neuen Perlen für meine Filmsammlung zu stöbern, entdeckte ich die Hülle aus schwarz und dunklem blau. De Niro und Pacino mit angespannten Gesichtszügen, über ihnen thronend der rot unterstrichene Titel Heat. Für vierneunundneunzig unschlagbar attraktiv und unglaublich traurig zugleich. In diesem Augenblick empfand ich es als blanken Hohn einen meiner Lieblingsfilme so zu verschleudern. Heute kann ich dem damals so empörend empfundenen Billigpreis einen positiven Aspekt abringen: er trägt – mit gewisser Sicherheit – dazu bei, dass Michael Manns Meilenstein des Thriller Genres den Weg in mehr Haushalte finden wird. Weshalb das gut sein soll, will ich im Weiteren erklären:

Heat zeigt ein anderes Los Angeles, ein L.A. das wir in dieser Form nicht kannten. Kein Hollywood-Zuckerguss, Jet-Set oder Blitzlichtgewitter. Bereits die näherkommenden Scheinwerfer, das eintönige Rattern der Bahn und das flächig-melancholische Thema in der Eröffnungssequenz deuten eine nicht zu entkommende Schicksalshaftigkeit der Ereignisse und der Charakterentwicklungen im weiteren Verlauf der folgenden knapp zweidreiviertel Stunden an. Im Fokus steht das erstmalige Treffen der Schauspielgiganten Robert De Niro – Neil McCauley – und Al Pacino – Vincent Hanna – auf 35mm. Ein Treffen, das so ausgeglichen, auf Augenhöhe angelegt ist, dass eine Identifikation mit dem Helden zur Tortur wird, weil ein Held im klassischen Sinne nicht auszumachen ist. Obwohl die Fronten eindeutig geklärt sind: McCauley, der smarte, aber auch – wenn es die Situation verlangt – eiskalte Anführer einer Gangsterbande. Hanna, der getriebene und erfolgsverwöhnte Chefermittler der Mordkommission. Beide machen was sie am besten können. Sie haben nichts anders gelernt, wollen auch nichts anders machen, auch wenn das gleichbedeutend mit dem Kappen jeglicher positiv konnotierten zwischenmenschlichen Beziehung ist. Der Bluthund Hanna und der abgebrühte McCauley. Ein Spiel der Charakterdarsteller, das nur durch Glück, Zufall oder Schicksal entschieden werden kann und das selbst dann, als Hanna McCauley auf dem nächtlichen Flughafenfeld erschießt, keinen Gewinner preisgibt. Zu ähnlich sind sich die beiden Charaktere in ihrer Lebensweise und ihren Methoden. Los Angeles, von Regisseur Mann als weite, flache und flächige Stadt inszeniert, trägt zur Verlorenheit der beiden Protagonisten bei. Hanna, der am liebsten überall dem Verbrechen entgegentreten würde und darin zwangsweise zum Scheitern verurteilt ist, sogar die eigene Familie durch seine Getriebenheit verliert. McCauley, der sich (endlich) aus dem Geschäft zurückziehen will, letztlich aber doch seiner Natur beziehungsweise seinem Instinkt folgen muss und dem Verrat – als höchster Form der Verfehlung gegen den Verbrecherehrenkodex – entgegentritt.

Für mich macht die Uneindeutigkeit, die im Spiel und der Form den ganzen Film durchsetzt, Heat zu einem Klassiker, bei dem ich, je öfter ich den Silberling in den DVD-Player lege, immer wieder faszinierende neue Aspekte entdecke.