Es hätte ein traditioneller Western werden können. Alles, was es dazu gebraucht hätte, wäre ein Regisseur wie Sergio Leone und ein grimmiger Clint Eastwood in der Rolle des Butch gewesen. Stattdessen durfte der Western-unerfahrene George Roy Hill, der später für Der Clou den Regie-Oscar erhalten sollte, auf dem Regiestuhl Platz nehmen. Eben diese Unbefangenheit ließ Hill etwas erreichen, wozu ein Sergio Leone, trotz oder gerade wegen seiner Liebe zu diesem Genre, niemals im Stande gewesen wäre.
Hill drehte einen Western, der kein Western ist. Denn Hill drehte einen Western, der kein Western sein will. Wenige Filme brechen mit gängigen Konventionen eines bereits etablierten Genres um etwas Eigenständiges und Unverbrauchtes zu schaffen. Die allerwenigsten bewerkstelligen dies mit einer spielerischen Leichtigkeit, die dem Zuschauer beim ersten Sehen, trotz aller Verwunderung, ein Lächeln aufs Gesicht zaubert. Butch Cassidy und Sundance Kid ist eine der seltenen Perlen, die genau diesen Effekt beabsichtigen und auch erreichen. Ein Hauptgrund hierfür ist unbestritten das sensationelle Hauptdarstellerduo, bei dessen Auswahl Hill ein erstes großes Risiko einging. In einem Film mit zwei gleichberechtigten Protagonisten stellte er dem damaligen Weltstar Paul Newman – alias Butch Cassidy – den reichlich unbekannten Robert Redford – alias Sundance Kid – zur Seite. Nicht wenige Leute zweifelten daran, ob Redford dieser Rolle gewachsen war und ob die Chemie zwischen den beiden stimmte. Heute wissen wir: George Roy Hill traf die richtige Entscheidung. Newman und Redford verkörpern diese beiden grundverschiedenen, sich gegenseitig ergänzenden Haudegen derart beindruckend, dass es nicht schwer fällt, an eine Freundschaft abseits der Kamera zu glauben.
Um zu verdeutlichen, dass der Film lose auf dem Leben zweier Banditen basiert, die tatsächlich existierten, bekommen wir zu Beginn Originalbilder ihrer Hole in the Wall Gang zu sehen. Danach führt die eigentliche Eröffnungssequenz Sundance als pokerspielenden, konfliktsuchenden Revolverhelden ein. Ein wilder Outlaw, bekannt für seine schnellen Hände, unbesiegbar im Duell. Ein Westernheld, klassisch und klischeebehaftet. Allerdings ist Butch derjenige Charakter, der zwar nicht den Film an sich, jedoch seine Wirkung auf das Publikum zu großen Teilen bestimmt. Zweifelsohne ist er ein Großmaul, jedoch verspielt er dank seines Charmes nie die Sympathien des Betrachters. Ebenso ist er ein Gangster, jedoch kein besonders guter. Er schießt schlecht, scheut den Konflikt und ist im Grunde seines Herzens ein anständiger Kerl. Jemand, den das Publikum trotz seines zweifelhaften Berufes liebt. Mit seiner Art bricht er die Rolle des klassischen Westernhelden immer weiter auf. Spätestens bei der legendären Szene, in der Butch zu „Raindrops keep fallin´on my head“ Kunststücke auf dem Fahrrad vollführt, dürften einige eingefleischte Westernfans das Kino verlassen haben.
Wer sitzen bleibt und sich darauf einlässt, wird mit einem innovativen und einzigartigen Film belohnt, der die Grenzen des Genres sprengt und echten Filmfans ins Gedächtnis ruft, welche Magie das Kino zu versprühen vermag. In einer Odyssee zweier freiheitsliebender Freunde wird Unerwartetes und Unkonventionelles auf eine Art und Weise präsentiert, die dem Publikum trotz ihres melancholischen Untertons immer wieder ein herzhaftes Lachen entlockt.