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Dienstag, 14. September 2010

Heat – Die andere Seite von Los Angeles

Ich kann mich noch exakt daran erinnern. Auf dem allwöchentlichen Streifzug durch die Regale einer großen Elektronik-Kette, um nach neuen Perlen für meine Filmsammlung zu stöbern, entdeckte ich die Hülle aus schwarz und dunklem blau. De Niro und Pacino mit angespannten Gesichtszügen, über ihnen thronend der rot unterstrichene Titel Heat. Für vierneunundneunzig unschlagbar attraktiv und unglaublich traurig zugleich. In diesem Augenblick empfand ich es als blanken Hohn einen meiner Lieblingsfilme so zu verschleudern. Heute kann ich dem damals so empörend empfundenen Billigpreis einen positiven Aspekt abringen: er trägt – mit gewisser Sicherheit – dazu bei, dass Michael Manns Meilenstein des Thriller Genres den Weg in mehr Haushalte finden wird. Weshalb das gut sein soll, will ich im Weiteren erklären:

Heat zeigt ein anderes Los Angeles, ein L.A. das wir in dieser Form nicht kannten. Kein Hollywood-Zuckerguss, Jet-Set oder Blitzlichtgewitter. Bereits die näherkommenden Scheinwerfer, das eintönige Rattern der Bahn und das flächig-melancholische Thema in der Eröffnungssequenz deuten eine nicht zu entkommende Schicksalshaftigkeit der Ereignisse und der Charakterentwicklungen im weiteren Verlauf der folgenden knapp zweidreiviertel Stunden an. Im Fokus steht das erstmalige Treffen der Schauspielgiganten Robert De Niro – Neil McCauley – und Al Pacino – Vincent Hanna – auf 35mm. Ein Treffen, das so ausgeglichen, auf Augenhöhe angelegt ist, dass eine Identifikation mit dem Helden zur Tortur wird, weil ein Held im klassischen Sinne nicht auszumachen ist. Obwohl die Fronten eindeutig geklärt sind: McCauley, der smarte, aber auch – wenn es die Situation verlangt – eiskalte Anführer einer Gangsterbande. Hanna, der getriebene und erfolgsverwöhnte Chefermittler der Mordkommission. Beide machen was sie am besten können. Sie haben nichts anders gelernt, wollen auch nichts anders machen, auch wenn das gleichbedeutend mit dem Kappen jeglicher positiv konnotierten zwischenmenschlichen Beziehung ist. Der Bluthund Hanna und der abgebrühte McCauley. Ein Spiel der Charakterdarsteller, das nur durch Glück, Zufall oder Schicksal entschieden werden kann und das selbst dann, als Hanna McCauley auf dem nächtlichen Flughafenfeld erschießt, keinen Gewinner preisgibt. Zu ähnlich sind sich die beiden Charaktere in ihrer Lebensweise und ihren Methoden. Los Angeles, von Regisseur Mann als weite, flache und flächige Stadt inszeniert, trägt zur Verlorenheit der beiden Protagonisten bei. Hanna, der am liebsten überall dem Verbrechen entgegentreten würde und darin zwangsweise zum Scheitern verurteilt ist, sogar die eigene Familie durch seine Getriebenheit verliert. McCauley, der sich (endlich) aus dem Geschäft zurückziehen will, letztlich aber doch seiner Natur beziehungsweise seinem Instinkt folgen muss und dem Verrat – als höchster Form der Verfehlung gegen den Verbrecherehrenkodex – entgegentritt.

Für mich macht die Uneindeutigkeit, die im Spiel und der Form den ganzen Film durchsetzt, Heat zu einem Klassiker, bei dem ich, je öfter ich den Silberling in den DVD-Player lege, immer wieder faszinierende neue Aspekte entdecke.

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