Vorab // Trotzdem ich den Versuch unternommen habe so wenig wie möglich über die Geschichte beziehungsweise einzelne Szenen zu verraten – der Film soll in Deutschland bedauerlicherweise erst Anfang 2012 in die Kinos kommen –, kann ich doch nicht 100%ig ausschließen, dass sich in meiner übereifernden Begeisterung ein paar Spoiler eingeschlichen hab. Ich bitte um Nachsicht.
Ein Mann. Ein Auto…so könnte man ‚Drive‘, den neuen Film von Nicolas Winding Refn, in Anlehnung an eine allseits beliebte Serie mit sprechendem Auto und The Hoff in der Hauptrolle, auf den ersten Blick beschreiben. Das war‘s dann aber auch schon mit den Parallelen zur Actionserie aus den 80ern. Keine fliegenden Autos, Turbo Boost oder schicke Casio-Uhren. Nur die Schriftfarbe der Titelsequenz weckt kurzzeitig Erinnerungen an die Zeit der Foundation für Recht und Verfassung, ehe wir wieder in die dunklen und gewalttätigen Straßen des L.A. der Jetztzeit entlassen werden.
Der von Ryan Gosling – bereits in ‚Das perfekte Verbrechen‘ und ‚Blue Valentine‘ überaus überzeugend – verkörperte namenlose Fahrer ist alles andere als ein Gesetzeshüter à la Michael Knight. Als unscheinbarer Automechaniker und Stunt-Fahrer tagsüber, macht er sich nachts als wortkarger, stoisch dreinblickender wheel man für Los Angeles‘ kriminelle Szene verdient. Bereits die Anfangssequenz stellt klar heraus: dieser Typ versteht sein Handwerk. Unaufgeregt und ohne sichtbare Gemütsregung, immer mit einem Zahnstocher im Mundwinkel, wartet er auf seine heiße Fracht und lässt sich weder von Streifenwagen noch vom Suchscheinwerfer eines Helikoptern aus der Ruhe bringen. „Kid“, wie er von Shannon (Bryan Cranston – ‚Breaking Bad‘), dem hinkenden Werkstattbesitzer liebevoll genannt wird, ist ein Anti-Held, vergleichbar mit den Protagonisten der Schwarzen Serie, über deren Vergangenheit ein milchiger Schleier liegt. Er taucht irgendwann auf und scheint genauso unvermittelt wieder in die Nacht verschwinden zu können. Präzise getaktet und kraftvoll, wie ein V8 Motor, spult der Protagonist seine Dienste ab, immer darum bemüht keine Aufmerksamkeit zu erregen. Selbst brenzlige Situation werden von seinem emotionslosen, nahezu kalten Gesicht absorbiert. Doch als Nachbarin Irene – die wundervolle und unschuldig spielende, durch ‚An Education‘ bekannte Carey Mulligan – den emotionalen Schutzschild des Fahrers zum Bröckeln bringt, bricht dieser aus seiner Routine aus – mit weitreichenden Konsequenzen.
Neben den wuchtig und exakt getimten Verfolgungsjagden, den hervorragenden und präzisen Bildern und dem treibend-monotonen, äußerst stimmigen Soundtrack, weiß ‚Drive‘ insbesondere durch seine Zurückhaltung zu überzeugen. Refn deutet eine Liebesgeschichte in Blicken, Gesten und Berührungen subtil an und macht die emotionale Bindung zwischen Irene und dem Fahrer dadurch umso stärker. Blicke nehmen über die Spielzeit des Films einen besonderen Stellenwert ein. Sie sind Symbole für Macht und Stärke, werden aber auch als verbindendes Element eingesetzt, was besonders deutlich wird, wenn der Fahrer Irene und ihren Sohn auf eine Spritztour an einige unbekannte, wunderbare, der Rohheit der Stadt entgegenstehende Orte entführt.
Refns Hollywood-Debüt ist rein von der erzählten Geschichte sicherlich nicht innovativ, weiß aber formal zu überzeugen, ohne zur belanglosen Hülle zu verkommen. Auch wenn ‚Drive‘ verglichen zu ‚Valhalla Rising‘ fast schon dialoglastig wirkt, bleibt vieles unausgesprochen, was, in Verbindung mit dem häufigen Gebrauch des Zeitlupeneffekts, die emotionale Spannung befeuert. Ein Vergleich zur testosterontriefenden ‚Fast and Furious‘ Reihe schießt deshalb meilenweit am Ziel vorbei. Vielmehr ist ‚Drive‘ aufgrund seiner rar gesäten Gewaltexzesse, die den Rezipienten wie ein unerwarteter Nackenschlag treffen und daher geschickt Akzente beziehungsweise Brüche in der Handlung akzentuieren, mit Cronenbergs Filmschaffen allgemein, im Besonderen mit ‚A History of Violence‘ zu vergleichen. Speziell die männliche Hauptrolle in ‚Drive‘ ist ähnlich undurchsichtig und mysteriös angelegt und treibt die Spannung sowie die Geschichte gezielt voran. Sowohl der Fahrer mit der Skorpionjacke und den braunen Lederhandschuhen (Gosling) als auch der biedere Café-Besitzer (Mortensen) schwanken zwischen Fassade und Wirklichkeit. Eine strikte Trennung ist hier, trotz extremer Selbstdisziplin, unmöglich, da die Übergänge zwischen beiden Ebenen fließend sind. Während Tom Stall (Mortensen) von dieser eingeholt wird, scheint der Fahrer überhaupt keine Vergangenheit zu haben. Im blitzschnellen Umschalten vom hilfsbereiten Nachbarn zum Mann mit den Eisaugen wird jedoch schnell ersichtlich, dass der Fahrer nicht der unbescholtene Bürger von Nebenan ist.
Mit ‚Drive‘ ist Refn ein meisterhafter Genre-Film gelungen, der sich einbrennt wie heißes Motorenöl. Eine intensive, dramatische Geschichte, die vom hervorragenden Cast, der wunderbaren Kameraarbeit, einem passenden 70er Synthiesoundtrack und dem exakten Schnitt veredelt wird. Refn zeigt uns ein unbekanntes L.A. Ein L.A. wie zuletzt in Michael Manns ‚Heat‘, roh und ohne Weichzeichner. Er beklemmt uns wie Cronenberg und bleibt doch dem eigenen Stil treu.