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Samstag, 5. November 2011

Waltz with Bashir - Eine persönliche Erfahrung


Seit ich hier meinen ersten (und bisher einzigen!) Artikel verfasst habe, sind nun doch schon einige Monate vergangen. In der Zwischenzeit habe ich viele Filme gesehen, bei denen ich mir dachte: "Mensch, dazu kannst Du doch mal wieder was schreiben?!". Manchmal hatte ich dann auch schon den groben Aufbau des Artikels gedanklich durchgespielt und mir sogar einzelne Formulierungen überlegt, noch während ich den Film schaute. Genauso war es dann auch neulich, als ich Waltz with Bashir gesehen habe. Und was hat nun den Ausschlag gegeben, endlich auch etwas zu schreiben?  Es war eine andere Kritik zu dem Film, die ich am nächsten Tag gelesen habe. Denn diese beginnt quasi 1:1 so, wie ich es mir für meinen Artikel vorgenommen hatte, zieht aber dann ein komplett anderes Fazit... also anstatt ne eigene Einleitung mit anderen Worten wieder zu geben, zitiere ich einfach das Original:

"In many ways, this is the hardest review I've ever sat down and committed myself to writing. I regret watching Ari Folman's Waltz with Bashir. No, it's not because it was a waste of time. It wasn't because it was bad filmmaking. On the contrary, it is filmmaking at its finest. Waltz with Bashir is, at the very least, an astounding animated documentary with incredible originality and breathtaking impact, a film that must be watched by anyone with even a passing interest in world affairs or Middle Eastern History."

Soweit bin ich mit Todd Brown auf einer Wellenlänge. Ich bereue es aber aus einem ganz anderen Grund als er, den Film gesehen zu haben (und so gesehen ist "bereuen" eigentlich doch auch das falsche Wort), denn Waltz with Bashir ist einer dieser Filme, die ich jedem gern empfehlen möchte, selbst aber nicht vor habe, ihn ein zweites Mal zu schauen, einfach, weil er durch die Art des Storytelling ganz schön reinhaut.


Aber der Reihe nach: Worum geht es überhaupt in dem Streifen? Waltz with Bashir ist die autobiografische Erzählung der Vorkommnisse im ersten Libanon-Krieg aus Sicht des Regisseurs Ari Folman, der damals als 19-jähriger israelischer Soldat im Libanon stationiert war. Der Film wird in zwei Zeitzonen erzählt, denn er spielt in 2006 und beginnt damit, dass Ari einen etwas seltsamen Besuch seines alten Kameraden Boaz erhält. Boaz wird von einem wiederkehrenden Alptraum geplagt, den er auf seine Erlebnisse im Libanon zurückführt. Er möchte von Ari wissen, wie er sich an diese Tage zurückerinnert, um so etwas mehr Licht in seinen Traum zu bringen. Ari kann ihm dabei nicht wirklich viel helfen, denn er selbst erinnert sich an diese Zeit nur sehr wenig undweiß auch nicht, wann er das letzte Mal überhaupt daran gedacht hat. Das führt dazu, dass Ari selbst ins Grübeln kommt und von nun an versucht seine Bruchstücke wieder zusammen zu setzen. Dies gelingt ihm durch Gespräche mit alten Kameraden, einem Psychologen und einem Reporter. Dabei geht es speziell um die Tage der Ermordung des Milizenführers "Bachir Gemayel" und das darauffolgende Massaker von Sabra und Schatila.

Jetzt muss ich zugeben, dass ich im Vorfeld über diesen Krieg und so ziemlich allem, was damit verbunden ist, überhaupt nichts wusste. Aber das war nicht schlimm. Denn, und das ist der entscheidende Punkt im Vergleich zur Sichtweise von Todd Brown und seinem Review: Waltz with Bashir ist kein Dokumentarfilm und auch keine Geschichtsstunde. Vergleiche mit Michael Moore, die er in seinem Review anführt, sind daher nicht nur fehl am Platze, sondern vollkommen lächerlich.

Folman erzählt eine sehr persönliche und daher auch sehr verzerrte Sicht über Ereignisse, die tatsächlich stattgefunden haben. Dabei helfen ihm auch die persönlichen Eindrücke alter Kameraden, aber auch diese sind subjektiv verzerrt und versuchen nie, eine Art Aufklärung tatsächlicher Ereignisse zu sein. Zu keinem Zeitpunkt hatte ich also das Gefühl, Folman wollte mir sagen "so war das damals nämlich". Seine (geniale) Aussage ist "so habe ich es tief vergraben in meinen Erinnerungen". Er nimmt auch keine pathetische oder politische Stellung ein, sondern versteht es, den Zuschauer mit auf eine Suche nach seiner Wahrheit zu nehmen. Die Frage der Wahrheit und der Schuld ist eigentlich zweit- oder gar drittrangig. Denn die Kernaussage, so profan sie jetzt klingen mag, ist wahr: Krieg ist das absolut Furchtbarste und Unerklärlichste.

Im Vergleich zu klassischen Anti-Kriegsfilmen wie Jarhead, Apocalypse Now oder Full Metal Jacket fühlte ich mich hier allerdings nie wie der stille Beobachter zuhause im Sessel, der eine spannende Geschichte erzählt bekommt, ich fühlte mich irgendwie näher dran, denn der Film schafft den Spagat zwischen der Authentizität einer Nachrichtensendung und der Dramaturgie einer guten Lagerfeuergeschichte (und das soll die unglaubliche Tragik der wahren Ereignisse absolut nicht abwerten!). Wer sich als Zuschauer also stattdessen dazu entscheidet, Waltz with Bashir in erster Linie als Dokumentation zu interpretieren, der tut das auf eigene Gefahr, darf sich dann aber nicht darüber beschweren, der Film gebe kein wirklichkeitsgetreues Abbild der Ereignisse wieder.

Mit Rückblicken zu arbeiten macht alleine noch kein gutes Storytelling, was ist hier also so besonders? Für mich ist der genialste Coup des Films sicherlich die Wahl des Formats: Waltz with Bashir ist ein einzigartig animierter Trickfilm. Anders, als beispielsweise bei Persepolis, dient hier das Format aber niemals dem Zweck, etwas comichaft und damit niedlich oder witzig darzustellen, der Zweck ist viel subtiler und hat bei mir den gewünschten Effekt (den ich nicht vorweg nehmen möchte) auf jeden Fall voll erzielt.

Ich könnte jetzt noch mehr über den Film erzählen, freue mich aber viel lieber auf eine angeregte Diskussion, haut also in die Tasten!

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