Dieses Blog durchsuchen

Montag, 2. Juli 2012

The Man from Nowhere (Ajeossi)


Eigentlich ging der Reiz die "koreanische Antwort auf 96 Hours" zu sehen, wie auf der Rückseite der von Amasia veröffentlichten BD angepriesen, knapp gegen null. Zwar war ich von der kernigen Entführungsgeschichte mit Liam Neeson keineswegs enttäuscht, genauso wenig begeisterte mich diese recht geradlinige Geschichte jedoch. Nur mein seit der Rachetrilogie von Park Chan-wook entfachtes Interesse für das Südkoreanischen Genrekino gab letztlich den Kaufentscheid. Ein Blindkauf sozusagen, ohne es später auch nur eine Sekunde zu bereuen.
Won Bin, der bereits in Mother(Madeo) als zurückgebliebener Triebtäter zu überzeugen wusste, verkörpert den zurückgezogen lebenden Tae-sik, der sich sein Brot als Pfandleiher verdient. Unfreiwillig schlittert er durch seine Nachbarin in einen misslungen Drogenraub und muss sich bald gegen eine ganzes Kartell behaupten. Dass der zuerst noch mit Boygroup-Frisur recht brav daherkommende Tae-sik sich dabei mehr als beachtlich schlägt, lässt bereits vermuten, dass das Pfandleiherhandwerk keineswegs seine erste Berufswahl war. Hinter der fast starren und anfangs kaum zu einer Gefühlsregung fähigen Maske, versteckt sich eine zutiefst vernarbte Seele. Der Grund dieser Narben wird nur in kurzen, aber völlig hinreichenden Rückblenden offenbart, die dem Helden die nötige Motivation für sein späteres Handeln an die Hand geben. Was der Titel bereits andeutet, wird durch das Aussparen weiterer Details seiner Vergangenheit untermauert. Tae-sik ist der Mann aus dem Nichts, der ebenso unbemerkt auftaucht, wie er auch wieder verschwindet. Leben oder Sterben spielt dabei für ihn nur eine untergeordnete Rolle. Als Tae-siks Nachbarin und ihre Tochter So-mi entführt werden und er kurze Zeit später die Mutter tot in einem Kofferraum findet, schwebt auch So-mi in höchster Lebensgefahr. Auf der Suche nach So-mi wird Tae-sik angeschossen und muss einige Zeit bei einem Freund unterkommen, um sich von seinen Verletzungen zu erholen. Sein Ziel, die Befreiung So-mis, verliert er dabei jedoch nie aus den Augen. Sie ist zu seinem einzigen Lebensinhalt geworden. Nachdem der ehemalige Spezialagent genesen ist, kann er sich jedoch kaum noch an Son-mis Gesicht erinnern. Trotzdem beginnt er die Fährte aufzunehmen. In einem furiosen Finale steht alles auf dem Spiel. Wird Tae-sik So-mi rechtzeitig finden?

The Man from Nowhere ist eine Geschichte über Tod, Schmerz und den moralischen Anspruch das Richtige zu tun. Hervorragend gefilmt, nervenflirrend inszeniert und wunderbar kadriert, entwickelt der Film über knapp zwei Stunden eine intensive Identifikation und Empathie mit dem Helden. Natürlich ist The Man from Nowhere ein kommerzieller Box-Office Erfolg (über sechs Millionen Kinobesucher) und keineswegs mit der subtilen und abstrakten Sprengkraft eines Park Chan-wook zu vergleichen. Diesen Anspruch hat Lee Jeong-beoms Rachethriller auch keineswegs. Im fulminanten Finale zeigt sich durch das Changieren zwischen grandioser Action und ergreifender Dramatik, dass künstlerischer Anspruch und großes Kino keine unvereinbaren Gegenpole bilden müssen. Nach dem bitteren und harten Krimi The Chaser, gelingt es Lee Jeong-beom in seinem zweiten Langfilm erneut den Rezipienten mitzureißen und einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Ein Grund mehr aufmerksam nach Südkorea zu schauen.