Jeder Filmfan hat die
Situation schon einmal erlebt: Man freut sich nach den ersten Trailern sehr auf
einen bestimmten Film und dann werden nach und nach schlechte Kritiken
veröffentlicht, die das eigene Interesse dann doch wieder deutlich schmälern.
Das kann sogar so weit gehen, dass man sich letztendlich sogar gegen einen
Kinobesuch entscheidet. So bei mir geschehen beim Film „Gangster Squad“ von
Regisseur Ruben Fleischer (u.a. „Zombieland“).
Hin und wieder kann dies sicher einen frustrierenden Filmabend verhindern. Letztendlich
sollte aber jeder Filmfan so viel Vertrauen in seinen eigenen Filmgeschmack
haben, um sich selbst eine Meinung zu bilden, ungeachtet der Aussagen einzelner
Kritiker. Auch dies hat mich der Film „Gangster Squad“ gelehrt, nachdem ich
mich schliesslich mit einiger Verspätung doch noch dazu entschlossen habe, dem Film
eine Chance zu geben.
„Gangster Squad“ spielt im L.A. des Jahres 1949. Der
skrupellose Mickey Cohen – gespielt
von Sean Penn – ist kurz davor Los
Angeles und die gesamte Westküste unter seine Gewalt zu bringen. In einem durch
Korruption, Gewalt und Angst gestützten System ist ihm durch den normalen
Polizeiapparat nicht mehr beizukommen. Deshalb erhält der Kriegsveteran John O’Mara – Josh Brolin – den inoffiziellen Auftrag, einen Geheimtrupp ins
Leben zu rufen, um der übermächtig erscheinenden Organisation mit Massnahmen jenseits
rechtsstaatlicher Mittel das Handwerk zu legen. Diese bunte Gruppe wird
verkörpert von durchaus gestandenen Schauspielern wie Ryan Gosling, Robert Patrick,
Michael Pena, Giovanni Ribisi und Anthony
Mackie. Zwischen dieser Gangster
Squad und dem organisierten Verbrechen entspinnt sich so im Verlauf des
Films ein brutaler Strassenkrieg um die Seele der zerfallenden, korrumpierten
Stadt der Engel, womit der Film ein intensives Setting für eine neue Art des
Film Noir bereitstellt.
Ich schreibe hier absichtlich „neue Art des Film Noir“,
da man durchaus geteilter Meinung sein kann, ob „Gangster Squad“ tatsächlich
ein klassischer Film Noir ist. Allein die Optik des Films, wenngleich
unzweifelhaft als Retro zu bezeichnen, spielt vielleicht teilweise mit einer zu
intensiven und leuchtenden Farbpalette, um durchgängig als düster bezeichnet
werden zu können. Und dann sind da die naiven Charakterzüge des filmischen
(Anti-)helden John O’Mara, der
tatsächlich glaubt, durch seine zweifelhaften Taten Gutes bewirken zu können. O’Mara und seine Mannen mögen glauben,
L.A. sei gerettet, wenn sie Mickey Cohen
das Handwerk legen können. John sieht
den Gangsterboss als Krankheit, die es auszumerzen gilt, und nicht als Symptom
eines korrupten und unheilbar kranken Systems. Ein deutlicher Unterschied zu
den kalten, pessimistischen und desillusionierten Antihelden, die die Klassiker
des Genres bestimmt haben. Auch die Frauenrolle, gespielt von der hinreissenden
Emma Stone, mag nicht so recht in das
klassische Konzept einer Femme Fatale
passen, sondern kommt während des kompletten Films nicht über den Status einer damsel-in-distress und einer love-interest von Ryan Gosling‘s Charakter hinaus.
Jetzt kann man sich als Verfechter
des klassischen Film Noir natürlich echauffieren und den Film und Regisseur für
seine Interpretation der Dinge diskreditieren. Oder man freut sich schlicht und
ergreifend darüber,
1. dass Ruben
Fleischer uns Los Angeles in einem äusserst ästhetischen und so noch nie
gesehenen Look präsentiert,
2. dass Sean
Penn und Josh Brolin in ihren
Rollen förmlich aufgehen und wirklich intensiv und elektrisierend spielen,
3. und dass Ryan
Gosling und Emma Stone nach
„Crazy, Stupid, Love“ ein zweites Mal beweisen, dass sie zusammen eine schlicht
und ergreifend perfekte Chemie auf der Leinwand besitzen.
Einige Kritiker bemängelten auch
den laxen und unkritischen Umgang mit dem Thema Selbstjustiz und dass die Hauptfiguren
ihre Taten zu wenig hinterfragen würden. In der Tat bekommt nur ein
Teammitglied der sogenannten Gangster
Squad Gewissensbisse und stellt nach einigen moralisch fragwürdigen Missionen
die Frage, was genau das Team denn noch von einem Mann wie Mickey Cohen unterscheide. Natürlich kann man sagen, dass es sich
der Film mit der Antwort „This is the only way…“ zu einfach macht. Auf der
anderen Seite kann man es dem Film zu Gute halten, dass er die Frage überhaupt
stellt. Und, um ganz ehrlich zu sein, muss man von einem Film, der einfach nur
ein intensiver und unterhaltsamer Crime-Thriller sein möchte, eine glaubwürdige
Antwort und eine zweistündige Charakterstudie erwarten?
Auch der explizite
Einsatz von Gewalt wurde oftmals als unnötig, voyeuristisch oder auch effekthascherisch
beschrieben. So ist der Film keine 5 Minuten alt, wenn der Zuschauer mit ansehen
muss, wie ein Gefangener bei lebendigem Leib in der Mitte entzwei gerissen
wird. Wer dabei allerdings wirklich nicht erkennt, welche Absicht der Film
damit verfolgt, tut aus meiner Sicht dem Drehbuch und auch dem Regisseur Unrecht.
Allein durch diese Anfangssequenz, auch oder eben gerade wegen ihrer
Explizitheit, wird
Mickey Cohen
besser beschrieben, als es
Sean Penn
in hundert Monologen und Grossaufnahmen hätte darstellen können. Wenngleich
Penn im Verlauf des Films noch einige
denkwürdige Szenen bekommt, in denen er sein komplettes schauspielerisches
Talent unter Beweis stellen und den Charakter vertiefen kann. Zweifellos ist es
so, dass er von allen Beteiligten am längsten im Gedächtnis bleibt und
Mickey Cohen seinen ganz eigenen Stempel
aufdrückt. Und wenn sich die beiden Hollywood-Schwergewichte
Penn und
Brolin dann in Ihren Rollen als
Cohen
und
O’Mara zu ihrem persönlichen und
unausweichlichen Showdown treffen, so weht für mich durchaus auch ein kleiner Hauch
von „Heat“ durch die Luft.
So hatte ich als Zuschauer
wirklich zu jeder Zeit das Gefühl, bei Ruben
Fleischer, seinem Team und seinem Cast in guten Händen zu sein. Sicherlich
ist „Gangster Squad“ nicht der neue „L.A. Confidential“ und, trotz meiner
Referenz, auch nicht der neue „Heat“, aber das liegt nicht daran, dass die
Macher gescheitert wären, sondern daran, dass sie es aus meiner Sicht gar nicht
erst versucht haben. „Gangster Squad“ möchte etwas anderes, eigenständiges
sein. Vielleicht mit etwas weniger Anspruch. Wenn man das anerkennt, dann kann
der Film eine Menge Spass machen.