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Sonntag, 9. März 2014

The Last of Us

Mir ist bewusst, dass das, was folgt, hier eigentlich nicht hin gehört, aber aus Mangel an einem besser geeigneten Forum und aufgrund der Tatsache, dass ich hier schon lange nichts mehr geschrieben habe, folgt ein kleiner Artikel (rant-ish) zum PS3 Spiel "The Last of Us". Um genau zu sein, ein Rant über die ersten geschätzt 20 Minuten, denn weiter bin ich noch nicht. Ihr braucht also nicht mal ernsthafte Spoiler zu fürchten.

Große Erwartungen?

Natürlich ist es nicht einfach einem Spiel, das eine bazzilionen perfekte Bewertungen erhalten hat, keine großen Erwartungen entgegen zu bringen. Aber um ehrlich zu sein, war ich von Anfang an eher skeptisch, ob The Last of Us was für mich ist. Den Hauptgrund dafür sehe ich darin, dass mich das Setting der Kategorie "Postapokalypse dank Zombievirus" einfach anödet. ja, ich weiß, in den meisten Fällen geht es gar nicht um die Zombies, sondern eher um die Frage, wie sich Menschen in Extremsituationen verhalten... okay, dann ödet mich eben das an. Ich hab Darabont's Verfilmung von "The Mist" mehrfach gesehen und genossen, mehr brauch' ich davon nicht (und alles, was ich danach gesehen habe, bietet mir nichts Neues). Darüber hinaus konnte ich mich bisher noch für kein Spiel von Naughty Dog begeistern, wobei ich es zugegebenermaßen bisher nur mit Teil 1 und 2 der Uncharted Reihe probiert habe.

Ich wage zu wiedersprechen
Nichtsdestotrotz und auch weil ich mich ja immer gern eines Besseren belehren lasse: The Last of Us kam im Paket mit meiner PS3 diese Woche an und dann will es auch zumindest mal angespielt werden. Und nach gefühlten 20 Minuten im Spiel, hab ich teils gelangweilt teils genervt den Controller auf die Seite gelegt, und ne Weile nachgedacht.

Medienschmelze

Motion Capture, immer bessere Grafikprozessoren und schlauere Algorithmen machen es möglich: unsere Spiele sehen immer toller aus. Und viele Spielemacher scheinen das Ziel zu haben, möglichst viel vom Medium Film in das Medium Spiel zu übertragen. Digitale Charaktere sollen lebendig wirken, Mimik und Gestik haben, sich allzeit dynamisch bewegen, und dank geschliffener Drehbücher witzig und dramatisch sein, in uns Emotionen wecken, was sonst nur die besten Autoren vermögen. Ich kann nicht sagen, dass ich die Vision nicht verlockend finde. Für mich funktioniert das aber bisher eher selten. Das grundlegende Problem: Spiele sind keine Filme. Das heißt, Spiele funktionieren anders als Filme. Und auch, wenn die beiden Medien sicher einiges verbindet, sollte man die Unterschiede nicht vergessen oder zu unterdrücken versuchen. Der Erfolg von Spielen wie "The Last of Us" lässt mich mit meiner Meinung sicher etwas allein dastehen, aber das ist okay.

Robbi on Rails

Was genau stört mich also bereits nach 20 Minuten "The Last of Us"? Es ist das Gefühl, auf Schienen zu sitzen und überhaupt nicht Teil der Geschichte zu sein, sondern vielmehr das Ganze von außen zu beobachten und manchmal gesagt zu bekommen: "jetzt doch bitte 'Dreieck' drücken, um die nächste Weiche zu stellen". Wobei, so richtig weichenstellen ist das bisher nicht, wenn ich durch meine Interaktion gar nicht entscheide, ob es nach links oder rechts geht, sondern nur vorwärts gehen darf.

Mein bisher ärgster Gegner im Spiel

Das Spiel hat es auch verpasst, dass ich gleich von Beginn an eine positive emotionale Verbindung zum Hauptcharakter aufbaue. Natürlich war der Prolog mitreisend inszeniert. Aber bis auf den analogen Stick, um meinen Charakter auf der Schiene vorwärts zu bewegen, gab es für mich nichts zu tun. Alles, was potentiell dazu beigetragen hätte, dass ich selbst eine emotionale Verbindung aufbaue, wurde mir in komplett geskripteten Szenen vorgekaut.
Und um ehrlich zu sein finde ich meinen Hauptcharakter aufgrund seiner bisherigen Handlungen eher unsymphatisch. Seine Tochter bleibt abends extra lange wach, um ihm noch rechtzeitig ein offensichtlich für sie ziemlich teures und wichtiges Geburtstagsgeschenk zu geben. Alles, was Mr. DaddyCool dazu zu sagen hat, ist, woher sie das Geld hätte und warum sie so spät noch auf sei. Kein "Danke". Daraufhin schaltet er den Fernseher ein und beendet das Gespräch. Als er seine Tochter dann ne halbe Stunde später ins Bett bringt, streicht er ihr liebevoll eine Haarsträhne aus dem Gesicht, macht sich aber nicht die Mühe, sie zuzudecken. Noch viel besser (lies: schlimmer) finde ich aber die Tatsache, dass er sie dann nachts, als das Chaos losbricht, offensichtlich erst mal alleine, schlafend zurücklässt. Heavy Rain hat da für mich einen viel besseren Job gemacht und mir als Spieler die notwendige Zeit gegeben, die Dynamik in der Familie, um die es dort geht, selbst zu erfahren und regelrecht mitzugestalten.

Aber eigentlich wollte ich gar nicht zu viel auf die erzählte Story einschlagen, denn wer weiß, wie sie sich noch weiter entwickelt. Mir geht es eher um die erwähnte Distanz zwischen mir als Spieler und dem tatsächlichen Spiel.
Ich möchte erforschen können, denn was bringt mir eine super-detaillierte Welt mit atemberaubender Grafik, wenn ich ständig das Gefühl habe durch mein bloßes Stöbern durch Räume den Erzählfluss zu unterbrechen und das ganze Pacing, dass die Autoren im Sinn haben zu zerbrechen. Ich habe nach 20 Minuten schon das Gefühl, enorm viel verpasst zu haben.

Ein weiterer Aspekt, den ich hier ansprechen will, ist die Direktheit, die ich verspüre, wenn ich mit dem Spiel interagiere. Anders ausgedrückt möchte ich durch meine Sinne, in erster Linie natürlich visuell, aber auch auditiv, eine Reaktion wahrnehmen, die ich ziemlich genau auf meine zuvor getätigten Eingaben zurückführen kann. Und das ist bei vielen der neueren Spielen, eben auch bei "The Last of Us", nicht so. Die Steuerung wirkt oft ganz bewusst "aufgeweicht", so dass man im Zweifel das richtige macht, anstatt zu scheitern. Aus Marketingsicht erreicht man so sicher ein größeres Publikum, verkauft mehr Spiele, und ist stinkreich, aber das ist schließlich eine Art Rant, also weiter im Text.

Lernen durch Fehler

Ein seit jeher zentrales Element in Spielen ist, den Spieler an seinen eigenen Fehlern wachsen zu lassen. Zu erleben, wie eine Entscheidung -- sei es ein gewagter Sprung über einen Abgrund, die Wahl der Ausrüstung für einen Kampf, oder die Reihenfolge, in der wir eine Welt erkunden -- sich auf eben diese Welt und unsere Figur darin auswirken und daraus zu lernen. Wer mir erzählt, jedes Level in Mega Man auf Anhieb gemeistert zu haben, den bezichtige ich der Lüge, denn es ist schlicht unmöglich. Man muss scheitern, um Fortschritt zu erfahren. Und das ist seit jeher ein Element in Spielen, das mich spielen lässt.
Es handelt sich dabei aber um eine Gratwanderung. Wenn ich nämlich das Gefühl habe, ich werde vom Spiel zu Unrecht bestraft, dann frustriert das. Anders ausgedrückt muss ich als Spieler erkennen können, dass, wenn ich scheitere, es in erster Linie meine eigene Schuld war: Ich habe mich falsch verhalten, eine falsche Entscheidung getroffen, und jetzt kann ich versuchen, daraus zu lernen und es beim nächsten Anlauf besser zu machen. Aus Sicht des Game Designs sollte man dem Spieler aber nicht sofort einen Rettungsring zuwerfen, sondern, wenn überhaupt, sehr subtil Hilfestellung geben. Tolle Beispiele dafür sind Limbo und Braid (für das ich leider kein gutes Video gefunden hab), die dieses Prinzip zum Kern ihres Spiels machen und wo es auch recht deutlich herausgestellt wird, im Vergleich zu anderen Spielen. Wenn ich aber auch im Falle ungenauer oder falscher Eingaben nicht scheitern kann, führt mich das ebenso "weg vom Spiel" wie die fehlende emotionale Bindung zu den Charakteren. Es trägt also zu meinem Gefühl bei, das Spiel oder den Charakter gar nicht wirklich zu steuern, sondern eher einem unsichtbaren Medium zwischen uns grobe Anweisungen zu geben, was als nächstes passieren soll.

Was hat das nun mit meinen ersten 20 Minuten in "The Last of Us" zu tun? Nun, so ziemlich alles, denn mir wird nicht nur ständig gesagt, welchen Knopf ich wann drücken soll, sondern ich bekomme auch für alles ein kurzes Tutorial. Es ist hier ganz klar das Prinzip "Tell, don't show", anstatt andersrum. In Spielen wäre vielleicht passender "Try, fail, repeat.", aber ganz egal, wie man es nennt, man sollte versuchen, nicht den Flow zu brechen. und bei mir kam noch nicht mal Flow auf in "The Last of Us".
Ein Beispiel: Warum wird mir nicht nur durch meine Begleiterin im Spiel gesagt, dass wir ne Leiter brauchen, um weiter zu kommen und das sie hier irgendwo rumliegen muss (das wusste glaube ich sogar mein eigener Charakter zu vermelden!). Wieso weißt das Leveldesign mich dann auch noch eindeutig auf die Stelle hin, wo die Leiter liegt, und wieso bekomme ich dann noch ein kurzes Tutorial, wie ich eine Leiter benutze? Hm, vielleicht, weil ich tatsächlich zu doof dazu bin?

Der Reihe nach: Ich komme also in ein neues Gebiet und noch bevor ich mich eine Sekunde umsehen kann, poppt ein Tutorial auf, dass mir erklärt, wie ich Leitern und lange Bretter nutzen kann: Nämlich, um höherer Gebiete zu erreichen oder Abgründe zu überwinden.


Das war zwar noch ohne Kontext, aber kaum war das Tutorial abgeschaltet, sagt mir meine Begleiterin, dass wir eine Leiter brauchen, um weiter zu kommen. Hm, okay, ich persönlich glaube ja, dass ne Spitzbubenleiter für den in Frage kommenden Vorsprung auch funktionieren würde, aber vielleicht war das zu schwer technisch umzusetzen (war es nicht, die Spitzbubenleiter ist fester Bestandteil in "The Last of Us").
Na gut, wir brauchen ne Leiter, aber Sekunde noch: "Wieso sollte hier ne Leiter rum..." -- "It has to be somewhere around here." Okay, entschuldige den Versuch eines eigenen Gedanken... (wobei ich mir dann noch gedacht habe: "In so nem postapokalyptischen Zombieland, in dem sich jeder selbst der nächste ist und man seinen Gegenüber auch schon einfach mal abknallt, weil man gern vorbei möchte, kann man sich da wirklich darauf verlassen, dass Leitern an ihren angestammten Plätzen verbleiben?"). Egal! Wo ist die verdammte Leiter? Ich fang mal hier drüben an zu... ach, da ist sie schon. Keine fünf Meter entfernt. Auch egal. Wie man die Leiter aufhebt sagt mir das Spiel (es ist tatsächlich nach wie vor "Dreieck", der Knopf, mit dem ich bisher alles andere aufgehoben, geöffnet oder angesehen habe!) und das "How to ladder" Tutorial hatte ich ja schon bekommen noch bevor ich wusste, dass ich eine Leiter suchen muss.
Also trage ich das Dingens an die Wand, und natürlich weist mich das Spiel darauf hin, jetzt doch bitte "Dreieck" zu drücken, um die Leiter aufzustellen.
Was passiert? Der Kerl legt die Leiter auf den Boden! Okay, ich heb sie wieder auf, positioniere mich, so dass auch ja der kleine Indikator zu sehen ist, der mir sagt: "Drücke JETZT Dreieck, um die Leiter aufzustellen." Er legt sie wieder auf den Boden. Das geht dann noch so drei bis fünf mal so, bevor ich das Spiel neu lade und endlich Erfolg habe.
Sowas nervt auf vielen Ebenen. Nicht nur, dass ich das Gefühl habe, wie ein Dreijähriger behandelt zu werden, der zum ersten Mal einen Controller in der Hand hält (das Spiel ist für Erwachsene und richtet sich sicher nicht an Casual Gamer). Die unfreiwillige Komik, die eine solche Szene vermittelt (man versucht vergeblich seine Figur dazu zu bringen, das einzig Sinnvolle in einer Situation zu tun und sieht dabei seine virtuelle Begleiterin, die sonst um keinen "toughen" Spruch verlegen ist und Männer reihenweise abknallt, wie eine leere Hülle daneben stehen, wie soll da Dramatik erzeugt werden?

"Töte ihn He-Man, töte ihn"

Eine der ersten Szenen, in denen dann so etwas wie eine tatsächliche Entscheidung getroffen werden konnte, gestaltet sich dann kurz darauf wie folgt: Man bewegt sich durch eine düstere Ruine eines Hauses, bewaffnet mit Taschenlampe und Atemschutzmaske, denn alles ist voller gefährlicher Sporen, die einen zum Zombie werden lassen.
Man wartet förmlich darauf, jeden Moment darauf, angefallen zu werden, doch man findet einen Menschen, eingeklemmt unter Trümmern, zu Tode verängstigt, der einem sofort sagt, dass seine Beine quasi Matsch sind. Natürlich bittet er um Hilfe, aber unsere burschikose Begleiterin weist uns an, ihn abzuknallen. Zu diesem Zeitpunkt hat man im Spiel noch keinen Schuss abgegeben (zumindest der Spieler nicht, der Hauptcharakter schon). Das Spiel stellt dich hier also nicht wirklich vor eine Wahl. Man sieht den Text: "Drücke L1 um zu zielen und R1 um zu feuern." Wie bitte? Wieso kann ich ihm nicht helfen? Der Aktenschrank auf seinen Beinen sieht nicht sooo schwer aus, ich könnte den vielleicht anheben! Ich hab außerdem Verbandszeug dabei... Aber das Spiel lässt das nicht zu. Unsere Kollegin steht nur doof daneben und scheint nichts anderes zu kennen, als Männer abzuknallen. Hm. Immerhin MUSS man den Kerl nicht abknallen, man kann auch einfach weiter gehen. Aber das fühlt sich auch nicht richtig an. Ich verstehe ja, dass mir Spiel eine Szene geben will, bevor ich in einen tatsächlichen Shoot-out komme, um mit der Steuerung klar zu kommen. Aber wieso muss es eine moralisch zumindest zweifelhafte Situation sein. Jaja, das Spiel will mir direkt vermitteln, dass ich in einer Welt ohne Aussicht auf Besserung lebe und alles düster und tragisch ist. Aber muss ich deswegen gegen meinen Willen handeln und anfangen, meinen Ingame-Charakter zu hassen? Ich weiß nicht...

WHAAAAA!!!

Irgendwann begegnet man dann auch den ersten "Zombies", und es soll sich natürlich gegruselt werden. Wenn man aber drei Zombies im ersten Anlauf abmurkst und zwar ohne Waffe, sondern einfach nur durch Kaputthauen und -treten, dann hält sich meine Furcht in Grenzen. Natürlich ekelt es mich zu sehen, wie menschengleiche Wesen über ner Leiche sitzen und sich am offenen Torso laben, aber wenn ich einfach hin latschen kann, dreimal "Viereck" (JAHA, nicht Dreieck) drücken muss um denen das Hirn aus dem hässlichen Schädel zu quetschen, dann fürchte ich mich nicht. Überhaupt nicht. Ich komm mir vor wie Rambo auf Steroiden und bin angewidert von der expliziten Gewalt.

Vor wem hättet ihr am meisten Angst?
Sind wirklich so viele Menschen so abgestumpft, dass sie Ekel mit Furcht verwechseln oder gar erwarten, dass Organe an die Wand geschleudert gehören, wenn es sich um ein Horrorspiel handelt? Ich kapier's nicht. Vor allem, in Kombination mit dem jämmerlichen Versuch, diese Art von Horror dann noch mir einer farbenfrohen, hellen Welt zu kombinieren und einem diese furchtbare virtuelle Begleiterin (ja, ich hab keine Ahnung wie die männermordende Schlampe am Anfang heißt) zu geben, die einfach nur unsympathisch und jenseits jeder Moral zu leben scheint.

Okay, ich will nicht lügen: Ich werde sicher noch weiter spielen. Aber das bisherige lässt mich doch sehr sehr stark daran zweifeln, wie ein solches Spiel, egal wie gut es noch wird, so viele perfekte Bewertungen erhalten konnte. Denn bisher finde ich es ziemlich arm.