Wer von unserer ehemaligen
Studententruppe erinnert sich daran, als wir vor Jahren zum Start von Tony
Jaa's Muay-Thai-Feuerwerk "Tom Yum
Goong" spontan beschlossen haben, ins 50 km entfernte
Villingen-Schwenningen zu gurken, weil dort weit und breit das einzige Kino
war, das sich getraut hat, so einen "Nischenfilm" ins Programm
aufzunehmen? Nun, was soll ich sagen. Das gleiche ist mir gestern passiert.
Und wie damals war es ein
Spontan-Kinobesuch, den ich auch in einigen Jahren noch in guter Erinnerung
behalten werde.
Viel habe ich im Vorfeld zu "The
Raid 2: Berandal" gelesen und eigentlich war alles davon zu aufregend um
wahr zu sein. Ich habe deshalb krampfhaft versucht, meine gigantische
Erwartungshaltung auf ein gesundes Maß zu reduzieren, aber das hat nicht so
wirklich geklappt. Als im Kino das Licht aus- und der Film losging saß ich also
quasi schon auf heißen Kohlen, aber um es kurz zu machen: Alles was ich vorher
gelesen habe hat sich bewahrheitet, egal wie euphorisch diese Berichte auch
gewesen sein mögen.
Ich falle deshalb besser gleich mit der Tür ins Haus:
"The Raid 2" ist vermutlich der
beste Actionfilm, den ich jemals gesehen habe.
Nach so einem gewagten Statement sollte
man vielleicht versuchen, etwas näher auf den Inhalt des Films einzugehen.
Worum geht es also?
Wer „The Raid: Redemption“ gesehen hat,
kennt auf jeden Fall schon mal den Protagonisten Rama (Iko Uwais), seines
Zeichens Polizist in Jakarta. Im vielfach (zurecht) gelobten Vorgänger war er
Mitglied einer Polizeieinheit, deren Aufgabe es war, ein von einem Gangsterboss
besetztes Hochhaus zu stürmen. Korrupte Machenschaften aus den eigenen Reihen
machten dem Vorhaben damals einen gehörigen Strich durch die Rechnung, der
Polizeieinsatz verkam zum Fiasko und außer Rama hat kaum einer das Blutbad
überlebt.
„The Raid 2: Berandal“ setzt nur knappe
zwei Stunden nach den Ereignissen des ersten Teils an. Eine Einheit von
internen Ermittlern will einen wirksamen Schlag gegen die ausufernde Korruption
bei der Polizei in Jakarta führen und versucht, Rama undercover in die
Gangsterbanden der Stadt einzuschleusen, denn wie sich herausstellt war Tama
(besagter Oberbösewicht aus Teil 1) zwar ein mächtiger Gangsterboss, aber
keineswegs das größte Tier in Jakartas Unterwelt. Diese wird von zwei
Verbrechersyndikaten beherrscht, die sowohl bei Politik als auch Polizei großen
Einfluss genießen. Rama nimmt den Auftrag aufgrund persönlicher Motive an und
verstrickt sich zusehends tiefer in ein Netz aus Machtgier, Verrat und Gewalt.
Seinen eigentlichen Auftrag immer weiter aus den Augen verlierend kämpft er um
sein Leben, als zwischen den beiden Syndikaten und einer dritten Partei, die
sich nicht so ganz an die Regeln halten will, ein brutaler Bandenkrieg entbrennt.
Polizist Rama ist in "The Raid 2" undercover unterwegs |
„The Raid 2“ ist ein Actionfilm in
Verkleidung eines typischen Gangster-Epos, der mit einer Laufzeit von monumentalen
zweieinhalb Stunden aufwartet und in dieser Dauer den Charakteren im Film als
auch dem Zuschauer im Kinositz vieles abverlangt. Neben den fantastischen
Kampfszenen war in meinen Augen die große Stärke des ersten Teils die
Simplifizierung der Hintergrundgeschichte, die nichts weiter bereitstellt, als
den Rahmen für ein ausuferndes Action-Fest, sowie die Komprimierung der Szenerie
auf ein einziges Gebäude. Somit wurden Spannung und Action auf einen Nenner
gebracht und keine Nebenkriegsschauplätze störten das Tempo des Films. Wenn
mich im Vorfeld von „The Raid 2“ etwas skeptisch hat werden lassen, dann ob das
Öffnen dieses Grundkonzepts den Film nicht unnötig belastet und das Augenmerk
von der Hauptzutat Action ablenkt.
Diese Sorge war gänzlich unbegründet. Der
Film schafft es für einen Actionfilm sensationell, eine Actionszene an die
andere zu hängen und dazwischen eine düstere, bedrohliche Atmosphäre mit
gefährlichen Charakteren sowie deren skrupellosen Motiven aufzubauen und dabei
ständig die Schauplätze zu wechseln. Der Wechsel zwischen brachialen
Kampfszenen auf der einen und Figurenentwicklung und Handlung auf der anderen
Seite ist dabei nahtlos. Beide Komponenten steigern sich im Laufe des Films mit
jeder neuen Szene. Das Pacing ist vorbildlich, ich habe mich keine Sekunde
gelangweilt.
Ganster Bejo (Alex Abbad) kocht sein eigenes Süppchen im Bandenkrieg |
Die Story hat dabei ein besonderes Lob
verdient. Ich möchte hier eine kleine Lanze brechen. Wenn der Film mit „Der Pate“,
„Internal Affairs“ oder ähnlichen Gangsterballaden verglichen wird, so bedeutet
es nicht, dass „The Raid 2“ ein oscarreifes Drehbuch hat. Das hat er nicht.
Aber er schafft es wie vielleicht kein anderer mir bekannter Actionfilm, eine
Geschichte einzuweben, die eine ähnliche Stimmung aufbaut wie die oben genannten
Beispiele. Ohne übertrieben komplex zu sein ist sie gut geschrieben, mehrschichtig,
nachvollziehbar und vor allem packend.
Uco (Arifin Putra), Sohn von Gangsterboss Bangun, spielt eine Schlüsselrolle im Konflikt |
Dazu führt Regisseur und Drehbuchautor
Gareth Evans eine ganze Menge neuer Charaktere ein, die alle ihre eigene
Motivation und Überzeugung mitbringen. Anfangs ist es nicht ganz einfach, den
Überblick zu behalten, da bis zu einem bestimmten Punkt im ersten Viertel des
Films verschiedene Rückblenden und Zeitsprünge benutzt werden, um die einzelnen Parteien vorzustellen. Außerdem kommt es auch vor,
dass plötzlich selbst nach über einer Stunde Laufzeit neue Personen die Leinwand
betreten und vielleicht keine Hauptrollen ausfüllen aber einen nicht
unerheblichen Anteil am weiteren Verlauf der Ereignisse haben. Denn jede ihrer
Handlungen zieht die Figuren tiefer in
einen Strudel aus Gewalt, bei dem nach kurzer Zeit schon klar wird: Hier gibt
es für niemanden ein Entrinnen auf dem Weg zum unausweichlichen Finale Furioso.
Das bringt mich zum eigentlichen Hauptmerkmal des Films: Die Action.
Das bringt mich zum eigentlichen Hauptmerkmal des Films: Die Action.
War der erste Teil schon ein großartiger Martial-Arts Film mit toll inszenierten Schusswechseln, schießen Gareth Evans und sein Team in „The Raid 2: Berandal“ den Vogel ab. Was hier innerhalb von 150 Minuten auf der Leinwand abgeht spottet jeglicher Beschreibung. Der Film setzt in Sachen Intensität, Kameraarbeit und Härtegrad mit jeder neuen Szene die absolute Messlatte immer noch ein Stückchen höher, was den Film spätestens nach dem unfassbar gefilmten Showdown in meinen Augen zur absoluten Referenz gegenüber jedem bestehenden oder kommenden Actionfilm macht. Besagter Endkampf müsste eigentlich ins Guinness Buch der Rekorde aufgenommen werden als nichts anderes als der am besten gefilmte Zweikampf auf Zelluloid. Jeder Szene merkt man die Detailverliebtheit der Choreographen an, die die Dreharbeiten des Films auf über 18 Monate ausgedehnt haben, bei einem absolut lachhaften Budget von 4,5 Millionen US-Dollar. Da fragt man sich des Öfteren, wie um alles in der Welt sie das bitteschön hinbekommen haben.
Die Intesität in der Inszenierung der Actionszenen sucht ihresgleichen |
Denn die unglaubliche Intensität der Kampfszenen entsteht nicht in erster Linie durch die offen zur Schau gestellte Gewaltorgie sondern durch die technisch perfekte Inszenierung, in der alles handgemacht ist. Kein mir bekannter Shot im gesamten Film nutzt CGI. Ein wahrer Meilenstein, wenn man bedenkt, was Stuntmen und Filmcrew hier auf sich nehmen, um jedes Detail optimal einzufangen. Egal wie viele Kämpfer in der Szene vorkommen, die Kamera ist immer an der richtigen Stelle. In einer furiosen Verfolgungsjagd wandert die Kamera von einem Autoinneren zum anderen während sich im einen gerade 5 Leute gegenseitig die Schädel einschlagen. Dabei fängt die Sounduntermalung jeden Knochenbruch und jede zerschmetterte Nase und jeden Blechschaden aufs Genauste ein, dass es um einen herum scheppert, als wär man mitten im Getümmel.
Die Verfolgungsjagd inkl. Schlägerei im Auto gehört zu den absoluten Highlights des Films |
Auch Yayan Ruhian ("Mad Dog" aus Teil 1) hat einen Gastauftritt - wenn auch als anderer Charakter |
Wer es schafft, ein Kino zu finden in dem
der Film läuft – geht rein. Auch wenn die Blu-ray ein gesicherter Kauf ist,
weiß ich nicht, ob die Intensität derart reinknallt wie auf der großen
Leinwand. Außerdem möchte ich in Kürze mit Leuten reden, ohne auf Spoiler
achten zu müssen! :)
Da ich also so langsam alle Superlative in meinem Wortschatz verpulvert habe, bringe ich zum Abschluss vielleicht noch ein Zitat von Matt Risley (Total Film) an, der den Film folgendermaßen passend zusammenfasst:
"Sumptuously shot, perfectly paced and flat-out exhilarating, The Raid 2 cements Evans as the best action director working today and may not be the best action, gangster, or even martial-arts movie ever made. But as a combination of all three, it's unparalleled in recent memory and offers a tantalising glimpse into a post-Bayhem action-movie world. Brutal, beautiful and brilliant. […] The sheer imagination on show, both in the cinematography and choreography, guarantees each brawl is instantly iconic. Immaculately edited, each traumatic, tensely tactile fight would blur into chaos if not for Evans's pinpoint pacing something that refreshes all the more in the face of modern blockbusting's tendency to start big and just keep getting bigger, until burnout."
Ich widerspreche nur in einem Punkt. Ein
besserer Actionfilm fällt mir nicht ein. Klare 10 von 10.