Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, weshalb
es dieses Schmuckstück nicht schaffte, sein überschaubares Budget von 25 Millionen
USD im Kino wieder einzuspielen. Genauso wenig kann ich nachvollziehen, dass
der deutsche Kinogänger nicht einmal die Möglichkeit bekam, diesen Streifen im
Kino zu bewundern. Stattdessen wurde Warrior als Direct-to-DVD Veröffentlichung
auf den deutschen Markt geschleudert, als ob es sich hier um den vierten
Ableger einer ausgelutschten Horror-B-Movie Reihe handeln würde. Nicht die
allerbeste Werbung… und dementsprechend beschränkt ist auch der
Bekanntheitsgrad des Filmes in Europa. Meine Bitte an den Leser lautet, sich
von diesen Tatsachen zu lösen und dem Film eine Chance geben. Genau das habe
ich getan und einen Blindkauf der BluRay gewagt. Mittlerweile habe ich den Film
in einem Jahr dreimal gesehen und zähle ihn ohne Wenn und Aber zu meinen
Lieblingsfilmen. Warum, will ich in den folgenden Zeilen erklären.
Warrior ist vordergründig ein (Kampf)sportfilm
mit dem Thema Mixed Martial Arts (MMA). In dem Film von Regisseur Gavin
O’Connor ruft ein reicher Promoter, dargestellt durch den Regisseur
höchstpersönlich, zum Kampfsportevent SPARTA auf, bei dem die 16 besten
MMA-Kämpfer der Welt im KO-Modus um ein Preisgeld von 5 Millionen USD („Winner
takes it all“) kämpfen sollen. Bis hierhin könnte es sich auch um ein Remake
von Jean-Claude Van Damme‘s Bloodsport handeln. Jedoch: Genauso wie der Mixed
Martial Arts Trainer Frank Campana – gespielt von Frank Grillo – seine Kämpfer im
Film auf unkonventionelle Weise trainiert, indem er Ihnen mit Beethoven-Musik
Ruhe, Gelassenheit und Geduld zu vermitteln versucht, so ist auch die Umsetzung
von Gavin O’Connor nicht das, was man vordergründig von einem Film dieser Art
erwarten würde. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Der Film kommt um die
handelsüblichen Standardmotive eines (Kampf)sportfilmes nicht herum. Ja, es
gibt die Story vom völligen Aussenseiter, der (vielleicht?) das schier Unmögliche
vollbringt. Ja, es gibt die handelsübliche Trainingsmontage à la Rocky I bis VI.
Ja, es gipfelt alles in einem dramatischen Endkampf während der letzten Minuten
des Films. Und auch die Frage, welche beiden Kämpfer sich in diesem Endkampf
gegenüber stehen, ist spätestens nach wenigen Filmminuten bereits geklärt.
Selbst der Klappentext der BluRay gibt diese Information bereits Preis.
Aber da gibt es eben auch mehr. Ein kleines
Beispiel: Die Trainingsmontage ist mit einer rockigen Version von Beethoven’s „Ode
to Joy“ unterlegt und allein deshalb schon irgendwie einzigartig. Es gibt auch
nicht den einen klassischen Helden, mit dem das Publikum mitfiebert und der am
Ende den brutalen und eindimensionalen Gegner – wie beispielsweise in jeglichen
frühen Van Damme Filmen - besiegt. Auf der einen Seite gibt es Brendan Conlon (Joel
Edgerton). Ein früherer durchschnittlicher MMA-Kämpfer, mittlerweile
Physiklehrer, liebevoller Vater und Ehemann. Einzig die Angst vor der Pfändung
des Hauses treibt ihn zurück in den Sport und nur ein glücklicher Umstand
ermöglicht ihm die Teilnahme an SPARTA. Buchstäblich auf der anderen Seite
steht dessen jüngerer Bruder Tommy Conlon (grandios: Tom Hardy), auf der Highschool ein
begnadeter und ungeschlagener Ringer, mittlerweile ein desillusionierter Ex-Marine.
Irgendwo dazwischen steht deren Vater Paddy Conlon (Nick Nolte), ein ehemaliger
Säufer, der durch seine Alkoholsucht wohl hauptverantwortlich für die
Zerrissenheit der Familie sein dürfte. Beide Söhne lassen ihn zu Beginn des
Filmes spüren, dass das Band wohl unwiederbringlich zerrissen ist. Auch
untereinander sind die Brüder tief zerstritten und speziell Tommy, der jüngere
der beiden, kann seinem älteren Bruder, genauso wie seinem Vater, nicht
verzeihen. Die Art und Weise wie Tom Hardy es fertig bringt, Tommy durch
Gesten, Tonfall und Körperhaltung von seinem Bruder und seinem Vater zu
isolieren, ist für mich eines der grossen Glanzlichter dieses Films. Zusammen
mit seiner physischen Konstitution (Tom Hardy war sicherlich immer schon recht muskulös,
aber seine Nacken-, Bauch und Rückenmuskeln in diesem Film sind schon sehr
bemerkenswert und seine Statur erinnert bereits sehr stark an Bane in The Dark
Knight Rises) ist dies im wahrsten Sinne des Wortes eine wuchtige Performance,
die man so schnell nicht vergisst. Auch Nick Nolte muss man herausstreichen,
der für seine Leistung sogar mit einer wohlverdienten Oscarnominierung als
bester Nebendarsteller belohnt wurde.
Links: Tom Hardy zeigt, was er hat; Rechts: Nick Nolte als Paddy Conlon |
All die Konflikte, die Vorwürfe und der Hass, welche
sich in all den Jahren zwischen den beiden Brüdern (und auch ihrem Vater)
aufgestaut haben und sich am Vorabend des Finales, bei ihrem ersten Treffen
seit Jahren, in einem verbalen Streitgespräch manifestieren, entladen sich
schliesslich in einem brutalen Kampf, bei dem der Zuschauer eigentlich keinen
wirklichen Favoriten hat, sondern einfach hofft, dass die Protagonisten auf
irgendeine Art und Weise wieder zusammenfinden. Und genau das ist letztlich die
Stärke dieses Films und der Grund dafür, dass man ihn eben nicht nur als reinen
Sportfilm bezeichnen darf. Denn dafür sorgt er sich viel zu sehr um seine
Protagonisten und deren Beziehungen zueinander. SPARTA und der grosse Endkampf,
all das ist letzten Endes nur das Ventil, mit dem Gavin O’Connor seinen
Charakteren hilft, ihre Emotionen auszudrücken und zu entladen. So ist auch der
Song „About Today“ von The National, welcher die letzten Szenen des Kampfes
begleitet, sicher keine allzu intuitive Wahl um einen MMA-Kampf musikalisch zu
untermalen, passt aber perfekt zur Beziehung der beiden Brüder und der
emotionalen Entwicklung, die die beiden während des Filmes durchlaufen haben.
Wenn überhaupt, dann ist Warrior also mit
Sportfilmen wie Rocky I, Million Dollar Baby oder The Fighter zu vergleichen,
deren Drehbücher es den Charakteren ebenfalls erlaubten, Tiefe zu entwickeln. Rocky I erhielt 1977 übrigens
drei Oscars, inklusive Bester Film und Beste Regie. Million Dollar Baby wurde
mit vier Oscars ausgezeichnet, allesamt in den Hauptkategorien (Film, Regie,
Hauptdarstellerin, Nebendarsteller). The Fighter erhielt immerhin zwei Oscars
für die Nebendarsteller Christian Bale und Melissa Leo. Warrior dagegen
scheiterte bereits an einem Kinorelease in Deutschland. Für mich völlig
unverständlich, weshalb ich jedem nur wärmstens empfehlen kann, für einmal
einen Blindkauf zu wagen.
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