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Donnerstag, 24. Januar 2013

Warrior – Family is worth fighting for



Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, weshalb es dieses Schmuckstück nicht schaffte, sein überschaubares Budget von 25 Millionen USD im Kino wieder einzuspielen. Genauso wenig kann ich nachvollziehen, dass der deutsche Kinogänger nicht einmal die Möglichkeit bekam, diesen Streifen im Kino zu bewundern. Stattdessen wurde Warrior als Direct-to-DVD Veröffentlichung auf den deutschen Markt geschleudert, als ob es sich hier um den vierten Ableger einer ausgelutschten Horror-B-Movie Reihe handeln würde. Nicht die allerbeste Werbung… und dementsprechend beschränkt ist auch der Bekanntheitsgrad des Filmes in Europa. Meine Bitte an den Leser lautet, sich von diesen Tatsachen zu lösen und dem Film eine Chance geben. Genau das habe ich getan und einen Blindkauf der BluRay gewagt. Mittlerweile habe ich den Film in einem Jahr dreimal gesehen und zähle ihn ohne Wenn und Aber zu meinen Lieblingsfilmen. Warum, will ich in den folgenden Zeilen erklären.


Warrior ist vordergründig ein (Kampf)sportfilm mit dem Thema Mixed Martial Arts (MMA). In dem Film von Regisseur Gavin O’Connor ruft ein reicher Promoter, dargestellt durch den Regisseur höchstpersönlich, zum Kampfsportevent SPARTA auf, bei dem die 16 besten MMA-Kämpfer der Welt im KO-Modus um ein Preisgeld von 5 Millionen USD („Winner takes it all“) kämpfen sollen. Bis hierhin könnte es sich auch um ein Remake von Jean-Claude Van Damme‘s Bloodsport handeln. Jedoch: Genauso wie der Mixed Martial Arts Trainer Frank Campana – gespielt von Frank Grillo – seine Kämpfer im Film auf unkonventionelle Weise trainiert, indem er Ihnen mit Beethoven-Musik Ruhe, Gelassenheit und Geduld zu vermitteln versucht, so ist auch die Umsetzung von Gavin O’Connor nicht das, was man vordergründig von einem Film dieser Art erwarten würde. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Der Film kommt um die handelsüblichen Standardmotive eines (Kampf)sportfilmes nicht herum. Ja, es gibt die Story vom völligen Aussenseiter, der (vielleicht?) das schier Unmögliche vollbringt. Ja, es gibt die handelsübliche Trainingsmontage à la Rocky I bis VI. Ja, es gipfelt alles in einem dramatischen Endkampf während der letzten Minuten des Films. Und auch die Frage, welche beiden Kämpfer sich in diesem Endkampf gegenüber stehen, ist spätestens nach wenigen Filmminuten bereits geklärt. Selbst der Klappentext der BluRay gibt diese Information bereits Preis.
  
Aber da gibt es eben auch mehr. Ein kleines Beispiel: Die Trainingsmontage ist mit einer rockigen Version von Beethoven’s „Ode to Joy“ unterlegt und allein deshalb schon irgendwie einzigartig. Es gibt auch nicht den einen klassischen Helden, mit dem das Publikum mitfiebert und der am Ende den brutalen und eindimensionalen Gegner – wie beispielsweise in jeglichen frühen Van Damme Filmen - besiegt. Auf der einen Seite gibt es Brendan Conlon (Joel Edgerton). Ein früherer durchschnittlicher MMA-Kämpfer, mittlerweile Physiklehrer, liebevoller Vater und Ehemann. Einzig die Angst vor der Pfändung des Hauses treibt ihn zurück in den Sport und nur ein glücklicher Umstand ermöglicht ihm die Teilnahme an SPARTA. Buchstäblich auf der anderen Seite steht dessen jüngerer Bruder Tommy Conlon (grandios: Tom Hardy), auf der Highschool ein begnadeter und ungeschlagener Ringer, mittlerweile ein desillusionierter Ex-Marine. Irgendwo dazwischen steht deren Vater Paddy Conlon (Nick Nolte), ein ehemaliger Säufer, der durch seine Alkoholsucht wohl hauptverantwortlich für die Zerrissenheit der Familie sein dürfte. Beide Söhne lassen ihn zu Beginn des Filmes spüren, dass das Band wohl unwiederbringlich zerrissen ist. Auch untereinander sind die Brüder tief zerstritten und speziell Tommy, der jüngere der beiden, kann seinem älteren Bruder, genauso wie seinem Vater, nicht verzeihen. Die Art und Weise wie Tom Hardy es fertig bringt, Tommy durch Gesten, Tonfall und Körperhaltung von seinem Bruder und seinem Vater zu isolieren, ist für mich eines der grossen Glanzlichter dieses Films. Zusammen mit seiner physischen Konstitution (Tom Hardy war sicherlich immer schon recht muskulös, aber seine Nacken-, Bauch und Rückenmuskeln in diesem Film sind schon sehr bemerkenswert und seine Statur erinnert bereits sehr stark an Bane in The Dark Knight Rises) ist dies im wahrsten Sinne des Wortes eine wuchtige Performance, die man so schnell nicht vergisst. Auch Nick Nolte muss man herausstreichen, der für seine Leistung sogar mit einer wohlverdienten Oscarnominierung als bester Nebendarsteller belohnt wurde.

Links: Tom Hardy zeigt, was er hat; Rechts: Nick Nolte als Paddy Conlon
All die Konflikte, die Vorwürfe und der Hass, welche sich in all den Jahren zwischen den beiden Brüdern (und auch ihrem Vater) aufgestaut haben und sich am Vorabend des Finales, bei ihrem ersten Treffen seit Jahren, in einem verbalen Streitgespräch manifestieren, entladen sich schliesslich in einem brutalen Kampf, bei dem der Zuschauer eigentlich keinen wirklichen Favoriten hat, sondern einfach hofft, dass die Protagonisten auf irgendeine Art und Weise wieder zusammenfinden. Und genau das ist letztlich die Stärke dieses Films und der Grund dafür, dass man ihn eben nicht nur als reinen Sportfilm bezeichnen darf. Denn dafür sorgt er sich viel zu sehr um seine Protagonisten und deren Beziehungen zueinander. SPARTA und der grosse Endkampf, all das ist letzten Endes nur das Ventil, mit dem Gavin O’Connor seinen Charakteren hilft, ihre Emotionen auszudrücken und zu entladen. So ist auch der Song „About Today“ von The National, welcher die letzten Szenen des Kampfes begleitet, sicher keine allzu intuitive Wahl um einen MMA-Kampf musikalisch zu untermalen, passt aber perfekt zur Beziehung der beiden Brüder und der emotionalen Entwicklung, die die beiden während des Filmes durchlaufen haben.
  
Wenn überhaupt, dann ist Warrior also mit Sportfilmen wie Rocky I, Million Dollar Baby oder The Fighter zu vergleichen, deren Drehbücher es den Charakteren ebenfalls erlaubten, Tiefe zu entwickeln. Rocky I erhielt 1977 übrigens drei Oscars, inklusive Bester Film und Beste Regie. Million Dollar Baby wurde mit vier Oscars ausgezeichnet, allesamt in den Hauptkategorien (Film, Regie, Hauptdarstellerin, Nebendarsteller). The Fighter erhielt immerhin zwei Oscars für die Nebendarsteller Christian Bale und Melissa Leo. Warrior dagegen scheiterte bereits an einem Kinorelease in Deutschland. Für mich völlig unverständlich, weshalb ich jedem nur wärmstens empfehlen kann, für einmal einen Blindkauf zu wagen.

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